Elektronische Patientenakte und Demenz

Überall wird als besonderer Vorteil der elektronischen Patientenakte (ePA) betont, dass nur die Versicherten selbst darüber bestimmen, wer in welchem Umfang Zugriff auf die hinterlegten Daten hat. Das unterschlägt jedoch, dass ein ganzer Teil der Versicherten faktisch nicht selbständig darüber verfügen kann und wird.

Für alle gesetzlich Versicherten soll die ePA 2025 funktionieren. Damit werden Krankengeschichte, Befunde und Therapien an einem Ort gespeichert. Ziel ist der Effizienzgewinn – es entfallen Arbeitsschritte zur Informationsbeschaffung und auch Mehrfachuntersuchungen, die Patienten sehr belasten können, sollen damit entfallen. Patienten sollen selbst entscheiden können, wer welche Daten (wie lange) einsehen darf. Ohne die Einwilligung sollen weder Eintragungen in die elektronische Patientenakte möglich sein, noch Dritte diese abrufen können. Nutzbar ist die ePA per App, Onlineportal oder direkt beim Behandler – im Regelfall wird dies die Arztpraxis sein, per PIN und Gesundheitskarte. Weitere Informationen gibt es hier beim Ministerium für Gesundheit.

Die ePA soll für alle Versicherten freiwillig sein. Interessanter Weise finden sich auf den Seiten des Bundesgesundheitsministeriums (siehe Link oben) Antworten zu Regelungen bei Minderjährigen. Zu Menschen, die z.B. aufgrund Erkrankung nicht einwilligungsfähig oder nicht einsichtsfähig, kein Wort.

Bevollmächtigte und Betreuer müssen entscheiden

Für die 1,8 Mio. Menschen mit Demenz in Deutschland werden zu einem großen Teil Dritte den Umgang mit der ePA bestimmen. Fraglich bleibt, in wie fern die (mutmaßlichen) Wünsche von Menschen mit Demenz hier Berücksichtigung finden werden.

Bevollmächtigte / Betreuer werden das Problem haben, dass zumindest bei fortgeschrittener Demenz Betroffenen kaum mehr zu vermitteln sein dürfte, was eine elektronische Patientenakte ist. Das ist problematisch hinsichtlich der Opt-Out-Lösung, die gewählt wurde. Das bedeutet in der Praxis: jede/r Versicherte ist dabei, wenn er nicht ausdrücklich widerspricht. Schon in einem frühen Stadium kann sich das Problem der Handhabung für Betroffene und vor allem Hochaltrige ergeben, wenn der Umgang mit Apps und Internet nicht (mehr) leicht gelingt. Ausdrücklich sollen Versicherte sich an bestimmten Servicestellen helfen lassen können, wenn es um die Bearbeitung und Handhabung der ePA geht.

Zum Thema Einwilligung in medizinische Maßnahmen gibt es ganze Abhandlungen (S2K-Leitlinie) für Mediziner, und auch Hinweise und Empfehlungen der Bundesärztekammer. Wesentlicher Bestandteil ist stets, dass die Aufklärung über die Maßnahme adressatengerecht – d.h. verständlich, erfolgen soll. Das ist schwerlich auf den Einzelfall bezogen konkretisierbar, da dies wesentlich von den (verbliebenen) Fähigkeiten der Betroffenen abhängig ist. In jedem Fall setzt es Kenntnisse in der Kommunikation mit Menschen mit Demenz beim Behandler / Leistungserbringer voraus. In Sachen ePA müssen sich Betreuer und Bevollmächtigte damit auseinandersetzen, wie sie mit Betroffenen über die elektronische Patientenakte sprechen. Auf Nachfrage teilt das Gesundheitsministerium mit

Nimmt ein rechtlicher Betreuer für einen Versicherten den Aufgabenkreis Gesundheitssorge wahr, so gelten für seine Rechte und Pflichten die allgemeinen Vorschriften der §§ 1814 ff. BGB. Hiernach sind insbesondere die Wünsche der Betreuten bzw. der mutmaßliche Wille zu beachten. Für die ePA gibt es insoweit keine Spezialregelungen. Das heißt, der konkrete Handlungsbedarf für den Betreuer kann sich in jedem Einzelfall anders darstellen und hängt maßgeblich auch von den Kompetenzen und der natürlichen Einsichtsfähigkeit des Betreuten ab. Daher können insoweit keine allgemein gültigen Aussagen getroffen werden.

Antwort des Referat L7 – Presse, Internet, Soziale Netzwerke
Bundesministerium für Gesundheit; 19.12.2023
 

Eine Informationskampagne für die Bevölkerung zum Thema wird derzeit seitens des Ministeriums vorbereitet. Sie soll die Akzeptanz der ePA in der Bevölkerung steigern und auch über Rechte und Pflichten informieren.

Jochen Gust

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Titelfoto von Tima Miroshnichenko on pexels

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