Digitalisierung: Pflegebetten als sensible Helfer

Vielerorts sind die Bedingungen für eine angemessene Pflege schwierig: es mangelt an Fachpersonal und das teilweise noch immer verstaubte und nie richtig gewesene Image der Pflegebranche zwischen „Herz haben“ und „Seniorenreinigung“ schreckt gerade junge Leute vom Beruf ab. Dabei ist das Gesundheitswesen und speziell die Pflege ein enorm vielfältiges, anspruchsvolles Feld – und Motor für manche Innovation. Die Pflegeprofis der Zukunft werden (noch mehr) als heute auch Profis der digitalen Versorgung sein.

Digitalisierung bedeutet weder pdf noch Roboter

Pflegefachleute sind technologieoffen. Zurecht jedoch häufig sehr skeptisch, wenn unter Digitalisierung entweder nur der Einsatz von Robotern verstanden wird, oder, dass Papierformulare jetzt auch als pdf-Dateien im eigenen Intranet abrufbar sind. Moderne Technik im Gesundheitswesen ersetzt weder pflegerisches Handeln noch die Aktivierung und Betreuung von Mensch zu Mensch. Ähnlich wie in neuen Fahrzeugen können intelligente Systeme jedoch entscheidenden Anteil daran haben, schwere Schäden zu verhindern.

Verirrt und gestürzt

Kolleginnen und Kollegen – gerade, aber nicht nur aus dem Nachtdienst kennen das: man findet einen Pflegebedürftigen gestürzt im Zimmer vor. Und neben allem anderen schießen einem auch Fragen durch den Kopf wie: wann war mein letzter Kontrollgang? Wann habe ich ihn das letzte Mal gesehen? Hätte ich früher wieder reinschauen müssen? Zur Sturzvermeidung wird manchmal mit Alarmtrittmatten gearbeitet, manchmal werden auch Matratzen vor Betten gelegt, um mögliche Sturzfolgen zu mindern. Man geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der Senioren in Pflegeheimen mindestens einmal im Jahr stürzt.

Aber auch beim Thema Hin-/Weglauftendenz kommen u.a. Alarmtrittmatten zum Einsatz. Wenn Menschen mit fortgeschrittener Demenz absichtlich oder zufällig unbegleitet ihre gewohnte Wohnumgebung verlassen, können sie in Lebensgefahr geraten.

Von der Alarmtrittmatte zum intelligenten Pflegebett

Durch ein Gespräch mit dem Leiter des Digitalen Pflegezentrums Bad Sassendorf bin ich auf den „Bettenhersteller“ Wissner-Bosserhoff aufmerksam geworden. Nicht nur, aber auch für Demenz Pflege und Betreuung schaue ich mir regelmäßig Produkte an und Berichte darüber. Und Wissner-Bosserhoff stellt eben nicht nur einfach Pflegebetten her, sondern bietet mit dem SafeSense-System noch mehr an. Da die Firma in Wickede an der Ruhr sitzt  – also quasi um die Ecke, war es ein Leichtes hinzufahren und sich das anzuschauen: das dort produzierte SafeSense3-System hat mehrere Features, was das Pflegebett vom reinen Schlafplatz zum digitalen Pflegeassistenzsystem aufwerten soll. Das sieht man dem Bett an sich zunächst nicht an: die Sensorik befindet sich unter dem Bett bzw. unter der Matratze.

Beispiel Bed-Exit-Monitoring. Steht der Pflegebedürftige auf, wird die Pflege informiert. Das System lässt sich dabei so fein justieren, dass die Pflegefachfrau vom Dienst nicht etwa dauernd (falsch) alarmiert wird, nur weil der Bewohner nachts zur Toilette geht. Das Alarmintervall kann eingestellt werden – von der Sofortmeldung bis zur notwendigen zeitlichen Toleranz die es für einen Toilettengang individuell haben muss. Das verhindert unnötige Rennerei für die Pflege und verschafft zugleich mehr Sicherheit. In verschiedenen denkbaren Konstellationen können solche Bettsensoren auch dazu beitragen, Fixierungen zu vermeiden. Das System kann auch Puls und Atemfrequenz messen – ohne, dass der Heimbewohner bzw. Patient irgendwie selbst verkabelt wäre: der Sensor liegt ja unter der Matratze. Dargestellt werden die Daten und ggfs. Alarmmeldungen auf einem übersichtlich gehaltenen Bildschirm – z.B. auf dem PC im Stationszimmer.

Druckgeschwüre vermeiden & Feuchtigkeitsalarm

Richtig sinnvoll – das System wurde mir vorgeführt von Produktmanager Lars Kossmann, Sebastian Plothe und Katharina Adrian (beide Marketing), kam mir jedoch eine weitere Form der „Bewegungsüberwachung“ vor: Dekubitus vermeiden durch die systemseitige Feststellung, ob genug Eigenbewegung da ist.

Das bringt in der Pflege ggfs. nicht nur eine Zeitersparnis – wenn genug Bewegung da ist, sind schließlich keine positionsunterstützenden Maßnahmen notwendig. Durch die Darstellung über 24 Stunden mittels Grafik lassen sich auf einen Blick auch noch weitere Erkenntnisse ableiten und Risiken identifizieren. Weiter ist ein Feuchtigkeitssensor im Portfolio als Bettauflage (auch „Glücksstädter“ oder „Hospitex“ genannt), so dass die Pflege eine entsprechende Meldung erhält, wenn Handlungsbedarf besteht. Das könnte in der Praxis dazu beitragen, die Bewohner nachts nicht unnötig wecken zu müssen zur Kontrolle. Wer sich die umfangreichen Möglichkeiten anschauen will, sollte die Homepage besuchen.

Informationen schützen – Daten müssen der Pflege dienen

Ich hatte mich zuvor noch nie mit einem intelligenten Bettsystem beschäftigt. Und nicht alles was es kann  – oder vielleicht in Zukunft noch können wird – ist mir persönlich gleich wichtig. Wichtig ist aber, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung uns in der Pflege zur Verfügung gestellt werden, uns und damit den uns anvertrauten Menschen dienen. Ich habe mehrmals im Gespräch nachgefragt: bei SafeSense3 haben mir die Anwesenden versichert: es werden keine Daten der Nutzer durch die Firma selbst abgerufen oder für Firmenzwecke ausgewertet. Die Speicherung (max. 24 Stunden) erfolgt datenschutzkonform lokal im Pflegeheim oder Krankenhaus.

Was ich ebenfalls gut finde am System: der Sensor und die Box – der Technikkram – liegt unter dem Bett bzw. unter der Matratze. Keine Kabel im Weg, nichts was Bewohner / Pflegebedürftige zusätzlich stören oder eine Stolperfalle darstellen könnte fiel mir während der Vorführung auf – und ja, ich habe auch unters Bett geschaut. Die Bettauflage mit Kabel jedoch lädt vielleicht manchen Pflegebedürftigen ein, gerade mit Demenz, daran herumzufummeln. Was passiert, wenn man das Kabel bei scharfgestelltem System einfach herauszieht, habe ich vergessen zu erfragen. Wahrscheinlich erfolgt auch dann eine Meldung an die Pflege.

Weitere Entwicklungen – zusätzliche Features – sind bei Wissner-Bosserhoff in der Pipeline. Wann ist zwar noch nicht klar (oder man wollte es mir nicht verraten), aber auch für die häusliche Pflege soll es in der Zukunft intelligente Bettlösungen aus Wickede geben.

Digitalisierung dient Pflegebedürftigen und Pflegenden bei der Bewältigung des Alltags, trägt zur Prävention bei und unterstützt darin, mit den knappen Zeitressourcen besser umzugehen: abseits der sonstigen „Belustigungsinstrumente“ und Servicegeräte die sonst häufig unter Digitalisierung der Pflege verstanden werden.

Jochen Gust

PS: KollegInnen und Kollegen die ein solches System bereits im Einsatz auf Ihrer Station haben: teilt gerne Eure Erfahrung in einem Kommentar mit.

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