6 Gründe, warum Clowns keine alten Menschen betreuen sollten

– und wie diese sich widerlegen lassen.

Ein Gastartikel von Ulrich Fey. Der ehemalige Lehrer und Redakteur arbeitet heute als freier Journalist und professioneller Clown. Als Clown „Albert“ arbeitet er seit vielen Jahren auch mit Menschen mit Demenz in Pflegeheimen oder Kliniken. Er ist Autor des Buches „Clowns für Menschen mit Demenz – das Potenzial einer komischen Kunst.

Clowns und Menschen mit Demenz – passt das zusammen? Seine Erfahrung über Befürchtungen und Argumente hat Ulrich Fey für uns hier einmal zusammengefasst.  

1. Clowns machen alte Menschen lächerlich

Eine Erfahrung haben viele schon gemacht, die einen Zirkus besucht haben – und in der ersten Reihe sitzen mussten. Dieser Zusatz genügt meist schon, um ein unangenehmes Gefühl hervorzurufen. Es ist das schlimmste aller denkbaren Ereignisse im Zirkus, wenn eine grell-bunt bemalte Person mit absurd großen Schuhen und albernen, zu weiten Klamotten auf einen zugeht und in die Manege zieht. Wer widersetzt sich da? Und dann: Alle lachen, nur einer nicht.

Dieses Gefühl, lächerlich zu sein, sich zu blamieren, zu schämen, gehört zu den schlimmsten Erfahrungen, die wir vor allem als Kinder und Jugendliche gemacht haben. Und wir strengen uns an, diesen Schmerz nicht wieder fühlen zu müssen. Ebenso unternehmen wir jede Mühe, die uns anvertrauten Menschen – besonders die schutzbedürftigen alten und dementen – davor zu bewahren. Und bei Clowns weiß man nie.

Widerspruch

Auch wenn es vielleicht erstaunt, diese Widerrede beginnt mit einer Zustimmung. Ja, es gibt solche Clowns. Clowns, die sich einen Spaß daraus machen, andere Menschen vorzuführen, auf deren Kosten die Lacher des Publikums einzuheimsen. Humor besitzt nicht nur eine nette und harmlose Seite. Humor wird auch im Sinne der Macht und der Erniedrigung eingesetzt. Und das nicht nur von schlechten Clowns, sondern auch von schlechten Chefs oder schlechten Eltern. Insofern stellen Clowns nichts Besonderes dar, auch wenn es bei ihnen als Experten für Humor und Komik schwerer wiegt.

Und nun kommt das Aber. Diese vielleicht traumatische Erfahrung im Zirkus ist nur eine traumatische Erfahrung im Zirkus. Sie steht weder im Zusammenhang mit alten Menschen noch mit Clowns, die diese besuchen. Clowns, die in sozialen Kontexten arbeiten, haben allenfalls die rote Nase mit den Kollegen im Zirkus gemein. Clowns, die alte Menschen besuchen, wollen keine Lacher erzeugen, sondern Kontakt. Sie offerieren diesen einen Freiraum, den sie füllen können – frei von Bedingungen oder Hintergedanken. Das bietet sonst niemand.

2. Clowns machen zusätzliche Arbeit

Wenn Clowns auftreten, dann auf einer Bühne vor Publikum. Wenn Clowns also in einer Einrichtung auftreten, bedeutet das für alle, die sowieso schon viel Arbeit haben: zusätzliche Arbeit. Schließlich müssen die Bewohnerinnen dorthin geführt, gestützt, gefahren werden, wo die Clowns auftreten. Und nach dem Auftritt alles wieder retour. Zudem sind manche Bewohnerinnen durch die Vorstellung vermutlich so durcheinander, dass sie beruhigt werden müssen. Und diese Art der Aktivierung soll noch den Angehörigen gegenüber gerechtfertigt werden.

Widerspruch

Auch dieser Punkt ist von alten Zirkusklischees getragen. Clowns im Altenheim machen keine Vorstellung. Wenn Clowns in Altenheimen doch eine Vorstellung geben und damit Arbeit machen – so beruht dies meist auf Impulsen der Leitungskräfte, die eben Clowns mit einer Vorstellung verbinden. Zudem lassen sich dank dieser Vorstellung in vielen Bewohnerbögen Häkchen machen unter der Rubrik „Aktivierung“. Die wenigsten Clowns indes wollen eine Vorstellung geben. Die meisten machen Einzelbesuche und damit genau das Gegenteil von mehr Arbeit.

3. Clowns bringen Unruhe ins Haus

Man kennt Clowns oder clownsähnliche Figuren zur Genüge: Sie verursachen Durcheinander und Unordnung, machen Lärm und ernsthaft Arbeitende auch noch lächerlich. Alles schon erlebt. Oder gesehen. Oder erzählt bekommen. Oder so ähnlich.

Widerspruch

Da wird es etwas dünn und diffus. Kein Wunder. Diese Argumentation beruht auf Vorurteilen und Klischees, die keine Berührungspunkte mit Altenheimen haben. Allerdings – ein Punkt trifft zu: Clowns zählen nicht zum hierarchischen System, scheren sich auch nicht sonderlich darum. Überraschung: Das hierarchische System kann dadurch für alle flexibler, luftiger werden.

4. Clowns sind bei alten Menschen überfordert

Verlag: Mabuse; 224 Seiten, 3. Auflage,
Erscheinungsjahr: 2016, ISBN: 9783863210151

Witze machen, Torten werfen oder gegen einen Schrank laufen – gut, wem das bei Clowns gefällt. Aber meist sind es Kinder, die darüber lachen. Alte Menschen verstehen das oft nicht. Die brauchen eine sensible, einfühlsame Ansprache von Fachkräften, keine Schenkelklopfer von Tollpatschen.

Widerspruch

Offensichtlich auch hier: Unwissen ist kombiniert mit Vorurteilen. Seit vielen Jahren begleiten Clowns alte Menschen, seit vielen Jahren besuchen Clowns sogar Hospize. Seit vielen Jahren gibt es zudem Kurse explizit für Clowns, die alte Menschen besuchen wollen. Seit vielen Jahren lässt sich Woche für Woche im Alltag verfolgen, wie wertschätzend, wie fachkundig Clowns ihre Besuche gestalten. Und wie freudig diese aufgenommen werden.

5. Clowns lassen sich nicht abrechnen

Musiktherapeutinnen, Hundetherapeutinnen, Ergo- und andere therapeutinnen müssen finanziert werden. Nun sollen Clowns noch dazu kommen. Beim MDK sind sie aber nicht vorgesehen <-– diesen Satz würde ich gerne streichen, da fürs KH nicht relevant.

Widerspruch

Diesem Grund lässt sich nichts entgegnen: Clowns lassen sich in der Tat nicht als Kassenleistung abrechnen. Streichen, da im KH DRG-Abrechnung:. jedenfalls nicht über den Katalog des MDK. So weit, so gut. Wenn also professionelle Clowns honoriert werden sollen, muss das frei oder über Umwege geschehen. Das macht Arbeit. Da stellt sich schnell die Frage: Was sind Clowns dem Haus wert?

6. Clowns sind nicht lustig

Dick und Doof sind komisch, Mr. Bean auch – aber Clowns? Im Zirkus, auf der Straße? Ihre Gags und Aktionen sind oft albern bis peinlich, bemüht bis berechenbar. Da muss man schon Kind sein oder sehr naiv, um darüber lachen zu können.

Widerspruch

Abgesehen davon, dass Geschmack und Humor sehr individuell geprägt sind, trifft der sechste und letzte Grund absolut zu: Clowns sind nicht lustig. Nie. Clowns haben lediglich einen komischen Effekt, wenn sie sehr ernsthaft eine etwas absurde Arbeit erledigen. Allein der Kontrast bewirkt die Komik. Zudem sind Clowns bei alten Menschen nicht als Humorbeauftragte unterwegs. Aber das hatten wir schon.

Clowns sind keine Staubsauger

Im Gegensatz zu Clowns haben Staubsauger kein Problem, ihre Wirksamkeit zu belegen. Ein Beispiel: Da stehen drei, preislich unterschiedliche Modelle vor Staub, Sand und Erdbröckchen, die auf Parkett und Teppich verteilt sind. Der preislich günstigste entfernt alles so lala. Der preislich mittlere saugt schon besser, allerdings auch nicht ganz. Der teuerste nimmt alles mit, ohne jede Beanstandung. Dafür kostet der das doppelte. Klare Ergebnisse für eine klare Entscheidung. Doch ein Clown ist kein Staubsauger.

Wie lässt sich nun feststellen, ob ein Clown in die Einrichtung passt, ob er oder sie einen positiven Effekt hat auf die Bewohnerinnen? Ausprobieren! In den meisten Orten gibt es Clownsvereine oder einzelne Clowns, die Erfahrung haben im Besuch alter Menschen. Wer also einen Versuch mit Clowns unternehmen will, sollte sich einen oder eine einladen. In deren Kontakt zu den alten Menschen lässt sich dann schnell spüren, ob es eine gemeinsame Basis gibt oder nicht.

Ulrich Fey

Foto: Ulrich Fey

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2 Kommentare

  1. Die Besuche der Clowns auf den Abteilungen bei Menschen mit Demenz erlebte ich jedes Mal als ganz besondere Erfahrung. Die sorgfältige Kontaktaufnahmen, die vielen bunten Details an den Kostümen, die einfühlsame Art bei jedem Menschen mit individuellen Angeboten ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern oder auch Traurigkeit gemeinsam auszuhalten, sind unwahrscheinlich wertvoll. Themen, die sonst kaum im Alltag zur Sprache kommen (zum Beispiel die Liebe) werden angesprochen und rufen Erinnerungen und Expertenwissen der Menschen mit Demenz wach. Ich wünsche mir mehr solche Besuche, denn auch wir Pflegenden geniessen die Besuche! Vielen Dank!
    Silvia Silva Lima, Fachexpertin Demenz, Zürich

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