Ein Delir ist ein potenziell lebensbedrohlicher Zustand. Bei Patienten mit Demenz wird dieser häufig übersehen oder behandelt wie eine Art Schnupfen. Ist „von alleine“ gekommen und geht auch wieder weg. Dies wird auch an den hierfür verwendeten Begriffen deutlich: Durchgangssyndrom oder hirnorganisches Psychosyndrom sind nach wie vor häufig verwendete Bezeichnungen die suggerieren, dass es sich um temporäres und folgenloses Geschehen handelt.
Das Delir kann grundsätzlich in zwei Formen unterschieden werden. Auf der einen Seite das hyperaktive Delir. Es geht einher mit Unruhezuständen, häufig auch Aggressionen – diese Patienten sind auffällig. Die Betroffenen verweigern die Versorgung, ziehen sich z.B. (auch geblockte) Katheter und Infusionen, sind schwer zugänglich. Das hypoaktive Delir hingegen ist zunächst eher unauffällig. Betroffene sind abwesend, apathisch und fordern in der Regel nichts. Die akute Verwirrtheit die zum Beispiel mit Halluzinationen einhergeht, wird nur bei näherer Betrachtung entdeckt. Hinzu kommen Mischformen – während der Patient tagsüber nicht „gestört“ hat, flippt er in der Nacht aus, was wiederum den minderbesetzten Nachtdienst vor enorme Probleme stellt.
In der Regel entwickelt sich ein Delir aufgrund einer zugrunde liegenden körperlichen Erkrankung oder als Komplikation. Es kann jedoch auch auftreten und damit erstmalig auf eine schwere körperliche Erkrankung hinweisen.
Zustand mit Folgen
Ein Delir ist immer ein Notfall, der entsprechende Maßnahmen erfordert. Die Folgen für die Betroffenen könne erheblich sein. So verlängert sich nicht nur die Krankenhausverweildauer, sondern es erhöht sich auf die Sterblichkeit. Unentdeckt und unbehandelt bleiben schwere kognitive Einbrüche und weitere Fähigkeitseinschränkungen – insbesondere in der Selbstversorgung. Das Ergebnis des Krankenhausaufenthaltes ist entsprechend unbefriedigend und nicht selten endet dieser für den älteren Menschen im Pflegeheim.
Multimorbidität, funktionelle Beeinträchtigungen und Mobilitätseinschränkungen gelten als Risikofaktoren für ein Delir (vgl. Pompei et. al. 1994, Marcantonio et. al. 2000, Williams et. al. 1985, Eli et. al. 1998). Demenzerkrankungen stellen einen hohen Risikofaktor für ältere Menschen dar, ein Delir zu erleiden (Marcantonio et al 2000, Francis et al 1990, Gustafson et al 1988). Der Schweregrad von Demenzerkrankungen gilt als unabhängiger Prädiaktor für dessen auftreten (Robertson et al 1998). Zugleich kann das Vorliegen einer Demenz oder Depression die Diagnose und Abgrenzung erheblich erschweren. Ohne Information und Kenntnis darüber, wie der Patient vorher war, kann eine Differenzierung und Abgrenzung äußerst schwierig sein. Dabei zeigt sich wieder der hohe Stellenwert des Angehörigeneinbezugs (Fremdanamnese) und des Informationsflusses zwischen Senioreneinrichtungen, ambulanten Diensten und Krankenhäusern.
Als Demenzbeauftragte*r sollten Sie sich im Haus vorhandene Screeninginstrumente ansehen oder sich mit Ihnen vertraut machen, um sie in die Diskussion einbringen zu können. Z.B. Nursing Delirium Screening Scale, Delir-Beobachtungs-Screening-Skala (DOS) oder die relativ weit verbreitete CAM – Confusion Assessment Method. Letztere dürfte wahrscheinlich etabliert sein, wenn Ihr Haus über einen Intensivbereich verfügt.
Prävention und Therapie
Die pharmakologische Therapie gehört in die Hände eines erfahrenen Arztes. Häufig werden Haloperidol oder Risperidon eingesetzt bei Eigen- und Fremdgefährdung. Ein adäquates Schmerzmanagement sollte auch hier zudem selbstverständlich sein. Für Pflegefachleute ist es wichtig die Risikofaktoren zu kennen, und ein pflegefachliches Handlungskonzept auszuarbeiten. Dazu gehören die Hilfestellung bei der Reorientierung sowohl im Gespräch als auch durch Hilfsmittel wie Uhren, Kalender, Hör- und Sehhilfen. Eine kontinuierliche Flüssigkeitszufuhr, frühe Mobilisierung, die Aufrechterhaltung der Kommunikation und das Vermitteln von Vertrautheit und Sicherheit und Maßnahmen die dem Erhalt des Schlaf-Wach-Rhythmus dienen. Elemente basaler Stimulation, die Einbindung der Angehörigen, sowie gezielte Aktivierung und je nach Bedarf Reizreduktion (Lärm und Licht), sollten ebenfalls Bausteine ihres Delir Konzeptes sein. Patienten mit Delir haben häufig große Angst und benötigen eine möglichst engmaschige Pflege und Betreuung, auch um Fixierungen zu vermeiden, welche die Situation weiter verschärfen.
Machen sie ein Thema daraus
Delirante Zustände bei älteren Menschen und insbesondere bei Menschen mit Demenz sind nach wie vor ein Thema, das in vielen Kliniken ungenügend Beachtung findet. Machen Sie als Demenzbeauftragte*r Delire zum Thema! Existiert bereits ein strukturiertes Vorgehen im Rahmen von Operationen bzw. postoperativ oder bei Intensivbehandlungen in Ihrer Klinik, setzen Sie sich dafür ein dies strukturiert auf Patienten mit Demenz auszuweiten und anzupassen.
Beim Thema Delir wird deutlich, dass der Mangel an Pflegefachleuten kostet. Das Krankenhaus durch längere Verweildauer, hohen Aufwand und schlechterem outcome. Fehlen Pflegefachfrauen und -männer bezahlt dies aber auch der Patient: mit seiner Gesundheit.
Viel Erfolg
Ihr
Jochen Gust
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