Im Verlauf einer Demenz werden die Betroffenen zunehmend abhängiger von der Unterstützung ihrer Umgebung. Das kognitive Leistungsvermögen geht zurück. Die Fähigkeit, den Tag selbst zu strukturieren, die Orientierung, die Selbstversorgungsfähigkeit – all das wird zunehmend eingeschränkt. Hinzu können unterschiedliche Verhaltensweisen kommen, deren Bewältigung für die sorgende Umgebung eine Herausforderung darstellt. All dies ist allgemein bekannt. Daher gibt es im ambulanten Bereich den Anspruch zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. In stationären Pflegeeinrichtungen, Dauer- Kurzzeit- und teilstationären Einrichtungen, ist dieser individuelle Anspruch ebenfalls verankert (§ 43b SGB XI).
Krankenhaus – keine Leistung
(Nicht nur) Menschen mit Demenz wird also ein erheblicher allgemeiner, zusätzlicher Betreuungsbedarf zugestanden. Das hat auch die Politik längst erkannt und der zusätzliche Aufwand findet unter bei Einstufungen in einen Pflegegrad Berücksichtigung. Natürlich, man kann immer diskutieren, ob die möglichen finanzierten Leistungen und deren Inhalte ausreichend sind. In ganz Geriatrien erhalten Menschen mit Demenz zusätzlich zur pflegerisch-medizinischen Versorgung auch Betreuung. In ganz Geriatrien? Nein! Tatsächlich ist es so, dass eine wirkliche Betreuung von Patienten mit Demenz im Krankenhaus regelhaft nicht vorhanden ist. Und das hat Folgen.
Sogenanntes herausforderndes Verhalten kann durch die noch vorhandenen Pflegenden regelhaft nicht oder nicht angemessen abgefangen werden. Dies führt häufig zum Einsatz von Beruhigungsmitteln. Der Patient muss „brav“ im Bett liegen, nötigenfalls im medikamentösen Dämmerschlaf. Es ist meist schlicht niemand da, der die unruhige alte Dame buchstäblich müde laufen könnte, ihre Unruhe abfangen könnte, sie darin unterstützen könnte ihre Wahrnehmung der Gegenwart mit ihrer Erinnerungen an ein vergangenes Heute in Übereinstimmung zu bringen. Keine Zeit.
Lasst sie machen!
Flankierende Delirprävention, das Abfangen von nächtlicher Unruhe, das „Nebeneitrainieren“ von Motorik, Kognition, instrumenteller Selbstversorgung. All dies findet nicht oder nur in geringem Umfang statt – ganz abgesehen davon, zu was Langeweile Menschen verleiten kann.
Wir Menschen sind tätige Wesen. Wir Leben im und vom Tun. Haben wir keine Beschäftigung – suchen wir uns eine. Haben wir zu wenig Kontakt, suchen wir welchen. Haben wir zu wenig Reize, verschaffen wir uns welche. Die Formen und Versuche, die Patienten mit Demenz dafür wählen können, „stören“ schließlich im Krankenhausalltag. Eine Abwärtsspirale kann in Gang geraten, an derem Ende eine Psychiatrieverlegung, verschiedene Formen von Fixierung, die verfrühte Übersiedlung ins Pflegeheim – oder gar der Tod stehen kann.
Diese Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen, herausfordernde Patienten besonders abzufangen bis hin zu einer 1:1 Betreuungssituation im Bedarfsfall – all dies könnte systematisch auch durch den zusätzlichen Einsatz von Betreuungskräften erreicht und unterstützt werden.
Entlastung für Pflegende und Mediziner im Krankenhaus
Pflegende und Mediziner könnten erheblich entlastet werden! Die Entwicklung und Verankerung eines entsprechenden, umfassenden Konzeptes zur Betreuung von Patienten mit Demenz einmal vorausgesetzt. An dieser Stelle ist hoffentlich klar, dass es um feste, gut und fortlaufend geschulte Mitarbeiter geht. Nichts, was Ehrenamtliche regelhaft leisten könnten. Andere Behauptungen diesbezüglich sind Augenwischerei. Das soll keineswegs den Einsatz der Ehrenamtlichen, denen nicht genug gedankt werden kann, schmälern. Aber auch deren Bemühungen ersetzen nunmal kein notwendig zu besetzendes Arbeitsfeld.
Nun könnte man dagegen argumentieren, dass ein Krankenhaus ein medizinisch-pflegerisch-therapeutischer Reparaturbetrieb ist. Und daher eine „Bespaßung“ von Menschen nicht vorgesehen ist. Nur: die Betreuung von Menschen mit Demenz ist keine Bespaßung. Betreuungskräfte keine Unterhalter, auch wenn es Teil der Aufgaben ist, für Unterhaltung zu sorgen. Es geht um die Verbesserung der Behandlungsergebnisse im Krankenhaus. Gezielt. Geplant. Das aus Gründen die menschlich und hinsichtlich der Lebensqualität der Betroffenen erforderlich sind. Aber auch ökonomisch absolut Sinn machen – mindestens gesamtgesellschaftlich.
Delirante Zustände und deren Bekämpfung bzw. der Umgang damit kosten Zeit, Ressourcen, Geld. Überforderte Klinikmitarbeiter kosten Geld, unzufriedene Angehörige und rechtliche Betreuer: kosten Geld. Verfrühte Umzüge in Pflegeheime – kosten viel Geld. Schwerere Pflegebedürftigkeit nach dem Krankenhausaufenthalt: kostet Geld. Die Aufzählung lässt sich erweitern… .
Antworten der Fraktionen
Die Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus sollte angemessen gegenfinanziert werden. Es gibt keinen vernünftigen Sachgrund, dies nicht zu tun. Weder hinsichtlich der Ergebnisse von Krankenhausaufenthalten für die Betroffenen und ihre Angehörigen, noch für die Kliniken selbst.
Ich habe den demokratischen Fraktionen des Bundestags (CDU / GRÜNE / LINKE / SPD / FDP) zwei Fragen dazu gestellt.
Frage 1: Weshalb endet der doch insgesamt anerkannte Mehrbedarf an Betreuung für Menschen mit Demenz bislang an der Krankenhaustür?
Frage 2: Gibt oder gab es – konkrete – Bestrebungen seitens Ihrer Fraktion die Lage von Patienten mit Demenz im Krankenhaus zu verbessern über Bestimmungen der Sozialgesetzbücher?
Die Antworten von FDP, SPD, GRÜNEN und LINKE finden Sie hier.
Die Fraktion der CDUCSU hat eine Antwort auf die Fragen am 28.11. per EMail abgelehnt.
Es ist mir bekannt, dass es ausgezeichnete Lösungen in einigen Krankenhäusern auch hinsichtlich der Beschäftigung und Betreuung von Patienten mit Demenz gibt. Dies sind aber Insellösungen – und nicht die Regel.
Hallo! Also ich finde diese Seite SUUUPER!!! Ein konkreter Austausch zum Thema wird seeehr sinnvoll und für viele vom PP wilölkommen sein!!! Aus konkreten Erfahrungen als Lehrerin an Schulen, Trainerin in KH sowie Validationsbeauftragte im Pflegeheim…..(bei vielen KH-Terminen mit MmD war ich quasi ihre „Demenzbegleiterin“) sind mir div. Situationen bekannt, in denen ALLE Beteiligten: die MmD sowie Ärzte und PP überfordert sind. Nur wenn das NOTWENDIGSTE Handwerkszeug (wie z.B.:. Erkennen u. Einschätzung demenziellen Verhaltens, nonverbale-& verbale Kommunikation u. Interaktion, Überforderung ernst nehmen, Sicherheits-förderndes/ Angstlösendes Umfeld schaffen etc..)…) zur Verfügung steht, kann eine Kooperation mit MmD im KH zielführend sein!