Buchvorstellung: Soziale Dienste in Langzeitpflegeeinrichtungen

„Richtig organisieren und fachlich perfekt umsetzen“ – so lautet der Untertitel des bei Schlütersche erschienen Buchs von Sabine Richartz.

„Die Betreuung“, so wird der soziale Dienst im Pflegeheim oft genannt. Und oft unterschätzt hinsichtlich ihrer Auswirkungen und Effekte, die sie auf Pflegebedürftige erzielen kann. Vorausgesetzt der Einsatz von Aktivierung und Betreuung erfolgt fachgerecht und ist professionell organisiert, strafen sie Vorurteile wie „Spiel- und Bastelabteilung“ schnell Lügen. Die Betreuung kann erheblich zum Wohlbefinden und zur Lebensqualität von Pflegebedürftigen beitragen. Die Tätigkeit kann auch gezielt herausfordernden Verhaltensweisen entgegenwirken bei Demenz und diese begleiten. Mitunter stehen dem falsche Vorstellungen seitens der Pflege, aber auch von Betreuungskräften entgegen die tatsächlich Annahmen unterliegen, es sei mit gelegentlichen Spaziergängen, der jahreszeitlichen Dekoration und Brettspielen getan.

Ich selbst habe nach meinem Zivildienst in der sozialen Betreuung eines Pflegeheims in Bad Malente gearbeitet, bevor ich Altenpfleger wurde. Und auch als Demenzbeauftragter im Krankenhaus habe ich überzeugen können, dass zusätzliche Betreuungskräfte für die Spezialstation für Patienten mit Demenz zwingend sind.

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Das Buch ist in 8 Kapitel unterteilt und einem Schlusswort. Zu Beginn zählt die Autorin 6 Stolpersteine für die Betreuung auf. Dazu zählen etwa die Blockaden gegenüber gewünschten Veränderungen. Auch die mangelnde Schnittstellenarbeit – ein großes Problem in vielen Einrichtungen mit vielfältigen negativen Folgen und weitere Fallstricke, so dass folgerichtig im nächsten Kapitel die Prüfkriterien des Medizinischen Dienstes und die Hebung der Pflegequalität durch Kooperation Thema sind.

 Vier Schritte werden im Buch ab Seite 31 aufgezählt und beschrieben, die für einen gut organisierten sozialen Dienst im Pflegeheim elementar sind. Von der Bedarfsanalyse bis zur Wochenplanung und dem notwendigen, wiederkehrenden Ausprobieren und Verwerfen von Angeboten wird nicht zu kleinteilig erklärt, wie das systematische Vorgehen aussehen kann.

In Pflegeeinrichtungen wird sich seitens der Bewohner häufig zu wenig bewegt. Das bringt Risiken mit sich und schadet der Gesundheit ganz grundsätzlich. Die Autorin *stellt im Buch denn auch einen „Tourenplan“ vor, mit dem systematisch Bewegung geplant werden kann, z.B. in Form von Spaziergängen. Dem Dasein als Führungskraft im Betreuungsdienst ist ein eigenes Kapitel gewidmet – und Mitarbeitende in ebendieser Position sind auch die Hauptzielgruppe dieses Buchs. Praktische Beispiele, Formularvorschläge – all dies ist enthalten. Damit sind wertvolle Anregungen gegeben und nicht nur Leitungskräfte in der Betreuung werden von den Inhalten profitieren.

Bei bestimmten Vorschlägen, gerade zur Betreuung von Menschen mit Demenz lässt es Sabine Richartz an Ver- und Nachweisen zur Evidenz fehlen und gerät daher auch in den Bereich der Behauptungen. Unangenehm wird es aber ab Seite 100. Hier kann der Leser ein „Interview“ mit einer Betreuungskraft nachlesen. Den Namen der angeblichen Betreuungskraft erfährt man nicht, die da so brav die Fragen beantwortet und den Leser aufklärt, wie toll die Autorin – ihre Vorgesetzte wohlgemerkt – ihre Arbeit macht. Aber ob nun frei erfundene Selbstbeweihräucherung, oder ob eine Betreuungskraft ihrer Chefin wirklich für das Buch – Zitat „Rede und Antwort“ stehen musste, ist dabei gar nicht entscheidend. Es wirkt deplatziert weil es den Eindruck verschafft, die Autorin sei sich ihrer Sache gar nicht sicher. Dabei hat der Leser des Buchs durchaus keinen Grund anzuzweifeln, dass Sabine Richartz ihr Geschäft versteht. Eine anonyme, beruflich nachgeordnete Mitarbeiterin zur Unterstreichung heranzuziehen, ist vollkommen unnötig.

Gerade für Betreuungskräfte die ganz frisch die Leitung eines sozialen Dienstes übernommen haben, kann ich das Buch empfehlen. Auch jenen, die schon dabei sind aber die ein oder andere Idee und Anregung suchen, um ihre Arbeit zu organisieren und zu systematisieren machen mit dem Kauf keinen Fehler. Abzuraten ist aus meiner Sicht dann, wenn Sie auf der Suche nach inhaltlichen Anregungen für die Betreuungsarbeit sind. Zwar werden einige auch im Buch beschrieben, aber dafür lohnt der Kauf nicht – Beispiele für Vorleserunden, jahreszeitliche Gestaltung oder ähnliches erhalten Sie in anderen Büchern oder finden Sie leicht im Internet.

Jochen Gust

Titelfoto von ugurlu photographer on pexels

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Jochen Gust

Pflegefachperson, Projektmitarbeiter, Demenzbeauftrager im Krankenhaus, Autor, Moderator, Dozent

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