Mangelernährung ist ein ernstes Problem bei Menschen mit Demenz. Viele Betroffene nehmen im Krankheitsverlauf zu wenig Nahrung zu sich oder erhalten nicht die notwendige Menge an essenziellen Nährstoffen. Dieser Zustand kann gravierende gesundheitliche Folgen haben – sowohl körperlich als auch kognitiv.
Vielfältige Ursachen
Rund 40 % der Betroffenen verlieren ungewollt Gewicht, was zu einer erheblichen Schwächung ihres Körpers führt. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Veränderung der Wahrnehmung: Speisen und Getränke werden nicht mehr richtig erkannt oder als ungenießbar empfunden.
- Nachlassendes Gedächtnis: Betroffene vergessen, ob und wann sie zuletzt gegessen haben.
- Geschmacksveränderungen: Viele entwickeln eine Vorliebe für süße Speisen und lehnen andere Nahrungsmittel ab.
- Schluckstörungen: Mit fortschreitender Demenz kann das Schlucken erschwert sein, was die Nahrungsaufnahme behindert.
- Verlust alltagspraktischer Fähigkeiten: Der Umgang mit Besteck oder das Zubereiten von Mahlzeiten wird zunehmend schwieriger.
- Schmerzen: Bauchschmerzen, Zahnbeschwerden oder schlecht sitzende Prothesen beeinflussen den Appetit negativ.
- Umgebungsfaktoren: Ablenkungen und mangelnde Ruhe während der Mahlzeiten erschweren die Nahrungsaufnahme. Auch wiederholt negative Erlebnisse während der Mahlzeiten (Belehrungen, Beschämung) kann zur Nahrungsverweigerung beitragen.
Hoher Bewegungsdrang – hoher Kalorienbedarf
Ein erhöhter Bewegungsdrang bei Menschen mit Demenz, wie exzessives Umhergehen oder psychomotorische Unruhe, steigert den Energiebedarf erheblich. In einigen Fällen kann dieser bis zu 3.000 bis 4.000 Kalorien pro Tag betragen. Pflegende sollten daher nicht nur auf eine ausreichende Kalorienzufuhr achten, sondern auch gezielt Ruhephasen fördern, um einer Mangelernährung entgegenzuwirken. Falls ein kontinuierlicher, ungewollter Gewichtsverlust auftritt, sind sofortige Gegenmaßnahmen erforderlich.
Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Ernährung
- Ursachen identifizieren: Die Gründe für die Nahrungsverweigerung ermitteln, die körperlich, emotional oder umgebungsbedingt sein können.
- Arzt hinzuziehen: Eine medizinische Abklärung ist wichtig, um etwaige Erkrankungen auszuschließen und gegebenenfalls eine logopädische Begleitung einzuleiten.
- Ernährungsberatung einholen: Eine individuelle Anpassung der Ernährung, etwa in Bezug auf Konsistenz oder Nahrungsergänzungsmittel, kann helfen.
- Speisen und Getränke anpassen: Experimente mit Temperatur, Konsistenz und Geschmack können die Akzeptanz erhöhen.
- Einnahme unterstützen: Gezielte Hilfestellungen beim Essen, wie der Einsatz von speziellem Besteck oder gemeinsames Essen, können Betroffene unterstützen.
- Dokumentation führen: Neben Gewicht und Mahlzeitenhäufigkeit sollte auch notiert werden, welche Speisen besonders gut angenommen werden.
- Angenehme Atmosphäre schaffen: Stress oder negative Kommentare während der Mahlzeiten sollten vermieden werden.
- Essumgebung bewusst gestalten: Faktoren wie Licht, Farben und Musik können Einfluss auf das Essverhalten haben.
- Hilfsmittel einsetzen: Spezielles Besteck, rutschfeste Unterlagen oder Trinkhilfen erleichtern die Nahrungsaufnahme.
- Angehörige einbeziehen: Sie können nicht nur bei den Mahlzeiten helfen, sondern auch wertvolle Hinweise zu Vorlieben geben.
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Ernährungsmanagement bei Demenz ist Pflegeaufgabe
Pflegefachleute spielen eine zentrale Rolle im Ernährungsmanagement von Menschen mit Demenz. Die Auswirkungen einer Mangelernährung können schwerwiegend sein, weshalb eine regelmäßige Gewichtskontrolle und Dokumentation unabdingbar sind. Zudem ist die Orientierung am Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) empfehlenswert.
Assesments zur Ernährung
Zur Beurteilung des Ernährungsstatus haben sich verschiedene Skalen etabliert. Beispiele sind unter anderem
- Mini Nutritional Assessment (MNA): Dieses Instrument wurde speziell für ältere Menschen entwickelt und umfasst sowohl ein Screening (MNA-SF) als auch ein ausführliches Assessment (MNA-LF).
- Subjective Global Assessment (SGA): Das SGA ist eine einfache, reproduzierbare Methode zur Einschätzung des Ernährungszustandes bei ambulanten oder stationären Patienten.
- Malnutrition Universal Screening Tool (MUST): Ursprünglich für den ambulanten Bereich entwickelt, wird das MUST mittlerweile auch im stationären Bereich eingesetzt.
- Nutritional Risk Screening (NRS 2002): Dieses Screening-Instrument wird von der Europäischen Gesellschaft für Klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) für hospitalisierte Patienten empfohlen.
- PEMU (Präventives Ernährungsmanagement in der stationären Altenpflege): Ein zweiphasiges Instrument zur Erfassung der Ernährungssituation in der stationären Langzeitpflege. Es umfasst ein initiales Screening und ein anschließendes Assessment zur Identifizierung von Ernährungsproblemen.
Durch gezielte Maßnahmen und eine bewusste Gestaltung der Essenssituation können Pflegeprofis erheblich dazu beitragen, dass Menschen mit Demenz ausreichend Nahrung zu sich nehmen und ihre Lebensqualität erhalten bleibt.