Mangel an Kurzzeitpflege: der Druck steigt 

Für pflegende und betreuende Angehörige ist es manchmal zum Verzweifeln, für Krankenhäuser ein zunehmendes Problem und Pflegeheime würden gerne mehr, können aber nicht: es fehlt an Plätzen für Kurzzeitpflege.

Kurzzeitpflege in der Krise

Kurzzeitpflege bedeutet, über einen begrenzten Zeitraum vollstationäre Pflege in Anspruch zu nehmen. Dies geschieht oft in Krisensituationen – z.B., wenn pflegende und betreuende Angehörige selbst erkranken und als Hauptpflegepersonen ausfallen. Aber auch nach Krankenhausaufenthalten, wenn noch nicht abschließend entschieden ist, ob ein Patient künftig dauerhaft in einem Pflegeheim leben wird, ist es üblich zunächst Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen. Häufig auch, weil die Zeit bis zum Ende der Kurzzeitpflege benötigt wird, um alles Weitere für die Versorgung zu organisieren.

Immer öfter berichten pflegende Angehörige, dass es ihnen zumindest nicht zeitnah und häufig auch nicht wohnortnah möglich ist, einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden. Für Krankenhäuser entsteht das Problem, dass sie einerseits den Patienten nicht entlassen können und dürfen, wenn seine Weiterversorgung nicht sichergestellt ist, andererseits Patienten im Krankenhaus Bett belegen, die eigentlich für andere Patienten benötigt würden. Mitarbeitende im Entlassmanagement berichten vom hohen Druck zur Entlassung, der auch den wirtschaftlichen Interessen der Kliniken entspricht – und gleichzeitig den immer größeren Schwierigkeiten, einen Kurzzeitpflegeplatz zu bekommen. Die Übergangspflege scheint den Druck bisher nicht abzumildern, stellt aber für Patienten und Krankenhäuser zumindest einen (leidlich gegenfinanzierten) Puffer dar. In Zukunft werden Krankenhäuser ihr Entlassmanagement und die darin tätigen Mitarbeiter weniger als Ausführende einer lästigen Gesetzespflicht sehen können, sondern als SpezialistInnen die entscheidend zum Patientenfluss beitragen.

Es fehlt an Mitarbeitenden: Deprofessionalisierung ist die Folge

Hauptgrund für die Misere dürften in erster Linie die fehlenden Pflegefachleute sein. Ein Problem, dass sich nicht einfach entschärfen lassen wird. Denn die – woher auch immer – hinzukommende Zahl an Pflegefachleuten wird auch mittel- und langfristig nicht mit dem weiter steigenden Bedarf Schritt halten. Heißt: es wird wesentliche Änderungen geben in der Versorgung – aufgrund eines schieren „Masseproblems“. In einigen Jahren wird es immer öfter darum gehen, dass überhaupt noch jemand regelmäßig oder gar ständig da ist, für pflegebedürftige Menschen. An irgendeinem Punkt wird es leider eine Frage der Mathematik – und nicht mehr der Qualität sein. Das muss und sollte niemandem gefallen, denn die Folgen werden gravierend sein. Aufzuhalten ist das aber nicht mehr. Schon jetzt gibt es gerade für den ambulanten Bereich mehr und mehr Hilfs- und Helferberufe niedriger Qualifikation, die im Grunde nur den Mangel an Pflegefachleuten dämpfen (sollen). Schon jetzt „zerfasert“ das Unterstützungssystem für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige in immer kleinteiligere, regionale „Inselprojekte“.

In Folge dessen ist es daher auch kaum vorstellbar, dass der Mangel an Pflegeprofis nicht auch in Pflegeheimen mehr werden wird – und via Absenkung des Qualitätsanspruchs an Pflege und erst recht an allem was die soziale Betreuung ausmacht, wird man mit dem Rücken zur Wand stehend, irgendwann nicht mehr daran vorbeikommen. Byebye, Fachkraftquote.

Die Zahlen der Länder

Wie viele Kurzzeitpflegeplätze tatsächlich fehlen, scheint nicht klar zu sein. Insgesamt gibt es verschiedene Studien und Reporte dazu, die jeweils einen steigenden Bedarf an Plätzen insgesamt darlegen. Zum Thema Kurzzeitpflege teilt das Bundesministerium für Gesundheit mit, dass laut Pflegestatistik 2021 etwa 56.692 Kurzeitpflegeplätze zur Verfügung stünden, wenn man solitär betriebene und flexibel in Pflegeheimen nutzenbare Plätze zusammenrechnet. Ein Aufwuchs um 9,8% im Vergleich zum Jahr 2019. Flexibel nutzbar heißt, wenn ein Platz frei (nicht belegt) ist im Pflegeheim, kann dieser auch als Kurzzeitpflegeplatz genutzt werden. Daten zum konkreten Bedarf und den Kapazitäten vor Ort (Länder), liegen dem Bundesgesundheitsministerium nicht vor.

 Auch die Bundesländer können größtenteils nicht beziffern, wie hoch die Kapazitätslücke im eigenen Land konkret ausfällt. Die Mehrzahl der Landesgesundheitsministerien räumt auf Nachfrage ein, von den Problemen einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden zu wissen. Auch Fördermöglichkeiten bestehen zum Teil. Andere reagierten nicht auf Anfrage. Es zeigten sich wie bei vielen Pflegethemen deutliche Unterschiede in Interesse und Kenntnisstand.

aktualisiert am 19.03.24

Sicherstelllung – Recht auf…?

Nochmal das Bundesministerium für Gesundheit: „Die Länder sind gemäß § 9 SGB XI verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur (ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen). Es ist Aufgabe der Pflegekassen dafür zu sorgen, dass die Versicherten die ihnen zustehenden Leistungen der Pflegeversicherung auch tatsächlich in Anspruch nehmen können.“.
Die Verantwortlichkeiten sind gesetzlich geregelt. Aber auch der diskutierte Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz ist erstmal etwas, was ggfs. nach Klage zu Entschädigungszahlungen führen könnte. Aber eben nicht automatisch zu mehr Pflegefachleuten. Und Betten pflegen nicht.
Aktuell ist es bereits so: es gibt ein Heer von Beratungsangeboten. Institutionen und Einzelpersonen beraten was das Zeug hält, eine pdf-Datei nach der anderen wird neu erstellt, Broschüren gedruckt und ganze Webseiten erläutern, was Versicherten bereits alles zusteht.

Theoretisch.

Jochen Gust

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