Das ist der Titel des Buchs von Tanja Frank. Die Autorin ist unter anderem Krankenschwester, Pain Nurse Plus und Mitglied der Expertenrunde Curriculum „Palliative Praxis“ der Robert-Bosch-Stiftung.
Professionelle palliative Begleitung und Demenz
Das Buch ist bei schlütersche 2021 erschienen und umfasst 240 Seiten. Unterteilt in 11 Kapitel beginnt das Buch mit der was Palliative Geriatrie ist und schon früh macht die Autorin die entscheidende Frage deutlich: wer braucht wann wovon wie viel? Ein weiterer Fokus des Buchs liegt auf der Rolle verschiedener Mitglieder der sorgenden Umgebung – der pflegenden Angehörigen ebenso wie den beruflich Pflegenden und Betreuenden im Krankenhaus oder der ambulanten Versorgung.
Demenz – im Westen nichts Neues
Ab Seite 39, im Kapitel *„Demenz – Begleitung am Lebensende“, hatte ich erwartet eine oder mehrere Besonderheiten zu finden. Palliative Versorgung im Zusammenhang mit Menschen mit Demenz erläutert zu bekommen. Das geschieht auch, bleibt aber in Selbstverständlichkeiten und bereits sattsam bekannten Informationen stecken. Wenn die Autorin etwa schreibt (S. 46) „Verlässliche Bezugspersonen sind ebenso wichtig wie einfache Regeln und die Beibehaltung liebgewonnener Gewohnheiten, eine sichere und überschaubare Umgebung.“ – dann ist das wahr, aber bereits 1000fach in anderen Publikationen nachzulesen. Die Zwischenüberschrift auf der nächsten Seite (3.1.2.) lautet denn auch „Die Pflege / Betreuung muss sich anpassen“. Wer hätte das gedacht? Weitere „Binsenweisheiten“ in Sachen Demenz reproduziert die Autorin das bis Seite 78 in Sachen Demenz, ohne dass ein besonderer / spezieller Bezug zum Thema palliative Begleitung für mich erkennbar wäre. In diesem Buchteil findet der/die demenzerfahrene LeserIn jedenfalls nichts, was er nicht schon woanders gelesen, in Schulungen erfahren oder auf Vorträgen gehört hat und gängiges Wissen und Praxis im Umgang ist oder sein sollte.
Besondere Symptome – besonderer Umgang
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Besser wird es auf den anschließenden Seiten, im Kapitel „Pflegerischer Umgang mit besonderen Symptomen“. Vor allem deshalb, weil Frank hier Verhalten von Menschen mit Demenz in seinen Kontext setzt, deutlich macht, dass Betroffene stets Gründe für ihr Verhalten haben – mag es uns herausfordernd erscheinen oder nicht. Zwar ist für mich auch hier kein Bezug zu einer besonderen palliativen Situation zu erkennen, sondern es werden wiederum mehr oder minder bekannte Vorgehensweisen im Umgang mit Menschen mit Demenz, Alten, Kranken, Pflegebedürftigen dargestellt – aber zumindest hier können die Leserinnen und Leser sicherlich die ein oder andere Maßnahme entdecken, die ihnen nicht bekannt war oder schon lange nicht mehr praktisch angewandt wurde, z.B. Fersenhalten oder Nestbildung bei der Lagerung.
Ab Seite 98 schließlich (Schmerzerfassung / -einschätzung) gewinnt das Buch noch einmal: zwar dürften Demenzprofis mindestens die BESD ohnehin bekannt sein. Aber es ist gut dem Thema den nötigen Raum zu geben und auch weitere Methoden darzustellen und kennenzulernen, sowie die Therapie von Schmerzen wiederum intensiv zum Thema zu machen.
Die Sterbephase
Ab Seite 155 geht es schließlich um das Sterben an sich. Von den Anzeichen des nahen Todes bis zur Frage, wie lang mit Infusionen und Sauerstoffgaben was genau erreicht werden kann gibt es hier wiederum gute und interessante Anteile, wobei es zwischendurch auch etwas abgleitet in Sätze wie „Der Mensch verstirbt. Den Zeitpunkt wählt er selbst, mal im Beisein einer anderen Person, mal allein.“. Vermutlich soll die Zuschreibung des willentlichen finalen Versagens von lebenswichtigen Organen einfach tröstlich klingen. Themen wie Trauer, Patientenverfügung und Selbstpflege (mit kleinen Übungen) führen schließlich zum Ende des Buchs.
Mein Fazit:
Erfahrene Pflegefachpersonen mit Demenz-Spezialisierung benötigen das Buch eher nicht. Der Erkenntnisgewinn ist aus meiner Sicht zu gering im Verhältnis zum Preis. Was das Buch vom Titel her für mich suggeriert, löst es in meinen Augen nicht vollumfänglich ein. Mir fehlt das spezifische. Das Wort „Demenz“ könnte in weiten Teilen komplett wegfallen – trotzdem wären die Informationen und Hinweise wichtig und genauso richtig wie eben mit dem Wort Demenz. Betreuungskräfte oder auch Berufsanfänger in der Pflege jedoch können *viel aus dem Werk mitnehmen: es bietet obwohl ein kompaktes und ordentlich strukturiertes Basiswissen rund ums Thema Demenz, als auch einige Informationen zum Thema Sterben bzw. zur palliativen Begleitung.
Gerade auf die Rolle der Angehörigen und einen angemessenen und würdigen Umgang zu achten und konkret darauf zu schauen, wie sich das in der Praxis verwirklichen lässt – da hält das Buch einige gute Anregungen und Hinweise bereit. Pflegende Angehörige können sich ggfs. durch einige der Inhalte überfrachtet fühlen, vielleicht auch „ohnmächtig“ an der ein oder anderen Stelle, weil ihr Einfluss auf pflegerische Handlungsweisen nicht unbedingt allzu groß ist, z.B. aufgrund des Zeit- und Personalmangels bei den professionellen Dienstleistern.
Jochen Gust
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Palliative Begleitung bei Menschen mit Demenz: Professionell begleiten, einfühlsam kommunizieren, kompetent handeln (Pflege Praxis) Taschenbuch – 25. Oktober 2021 von Tanja Frank; ISBN 3842608667; schluetersche.
Titelfoto: RDNE Stock project on pexels
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