Im dritten und letzten Teil des Gastbeitrages von Reinhard Fukerieder geht es um Konfliktlösungsstrategien und wie Coaching Konfliktlösungen unterstützen kann.
Konflikte mit Vorgesetzen – oder: Wie sage ich es
meinem*meiner Chef*in?
Eine Pflegekraft hat ein Problem:
„Meine Chefin kritisiert in letzter Zeit ständig an mir herum. Das hätte ich anders machen sollen, dafür brauche ich zu lange usw. usw. Sie sagt mir das so zwischen Tür und Angel, lässt mich gar nicht zu Wort kommen. Sie hat kein gutes Wort mehr für mich übrig. Ich bin verunsichert. Ich würde gerne mal in Ruhe mit ihr reden, aber ich traue mich auch nicht so richtig, sie darauf anzusprechen.“
Konflikte von Mitarbeiter*innen mit Vorgesetzten haben noch mal eine andere Brisanz als Konflikte auf gleicher hierarchischer Ebene unter Kollegen:
Vorgesetzte haben anders als Kolleg*innen tatsächliche Sanktionsmacht, d.h. als Mitarbeiter*in muss ich darauf vertrauen können, durch das Ansprechen des Konflikts keine beruflichen Nachteile durch den Vorgesetzten befürchten zu müssen.
Die Sorge, dass das passieren könnte und/oder teilweise schlechte Vorerfahrungen mit anderen oder dem*der gleichen Vorgesetzten, lähmen vielfach den Mut, in die Konfliktklärung zu gehen.
Es ist jedoch nicht unmöglich und manche reflexionsbereite Vorgesetzte sind sogar im Nachhinein dankbar, in einem Gespräch eine Rückmeldung zu ihrem Verhalten zu bekommen, weil ihnen manches daran selbst nicht immer bewusst ist.
Wenn es in einer Einrichtung regelmäßige Mitarbeiter- bzw. Zielvereinbarungsgespräche gibt, haben Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, der Führungskraft Feedback zu geben und so an der Verbesserung der Arbeitsbeziehung zu arbeiten.
Gibt es diese Form der Führungs- und Feedbackkultur nicht oder duldet das Ansprechen des Konflikts keinen längeren zeitlichen Aufschub, dann sollten man ein Gespräch einfordern.
Erste-Hilfe-Tipps:
- Berücksichtigen Sie die Erste-Hilfe-Tipps im Kapitel ‚Konflikte mit Kolleg*innen’!
- Bereiten Sie sich auf das Gespräch am besten mit einem Stichwortzettel vor! Sie stellen damit sicher, bestimmte Punkte nicht zu vergessen und in emotional aufgeheizten Situationen Ihren roten Faden zu behalten.
- Lesen Sie, falls vorhanden, das Leitbild bzw. die Führungsrichtlinien Ihrer Einrichtung oder Firma durch, um sich ggf. darauf berufen zu können.
- Informieren Sie sich über evtl. vorhandene Konfliktregelungsvereinbarungen, damit Sie wissen, welche Möglichkeiten Sie nutzen können, falls das Gespräch keinen Erfolg hat.
- Machen Sie ggfs. von der Möglichkeit Gebrauch, eine Person Ihres Vertrauens (Betriebsrat, Mitarbeitervertretung) zu dem Gespräch mit hinzuzuziehen. Dieser Schritt sollte gut überlegt sein, weil er von Vorgesetzten schon als Konflikteskalation aufgefasst werden könnte. In sehr zugespitzten Situationen ist dieser Schritt allerdings dringend zu empfehlen.
- Verzichten Sie während des Gesprächs auf Schuldzuweisungen oder Angriffe und sprechen Sie vielmehr von Ihren Interessen:
„Meine Interessen sind
- die Klärung des Sachverhalts
- die Verbesserung der Arbeitsbeziehung
- die (Wieder-) Herstellung von Arbeitszufriedenheit und Arbeitsfrieden
- …“
7. Fragen Sie auch nach den Interessen des*der Vorgesetzten. Wenn er*sie sich darauf einlässt, steigen die Chancen einer konstruktiven Konfliktregelung.
Konflikte im Team – oder: Wie können wir uns die Teamarbeit zur Hölle machen?
Die Ursachen und Auslöser für Konflikte in Teams und die sich entwickelnde Teamdynamik sind zu komplex, um sie hier in der gebotenen Kürze umfassen zu beschreiben.
Eine Erfahrung, die viele Teams teilen, ist, dass es manchmal auf der Sach- und Zielerreichungsebene nicht voran geht. Dies ist häufig ein Zeichen dafür, dass auf der Beziehungsebene im Team etwas im Argen liegt: Dabei können alte oder neue Verletzungen, Ängste vor Überforderung, Ausgrenzung oder vielleicht Entlassung, unterschiedliche Wertvorstellungen, das persönliche und berufliche Selbstverständ-nis, unklare Rollen- und Aufgabenzuteilung, Gefühle ungerechter Arbeitsverteilung oder Behandlung durch die Führungskraft, Liebesbeziehungen untereinander, Miss-achtung ungeschriebener Spielregeln etc. eine Rolle spielen.
Wenn die Arbeitsbeziehungen im Team nicht stimmen, verliert das Team seine Funktionen als kreativer Motor für Arbeitsprozesse, als Tankstelle für neue Motivation in schwierigen Arbeitssituationen und als Netz für Austausch untereinander und gegenseitige Unterstützung.
Vor der Einschaltung von externen Berater*innen zur Regelung der meist mehrdimensionalen Konfliktsituationen kann jede*r Einzelne im Team ihren*seinen Beitrag zur Konfliktregelung leisten.
Erste-Hilfe-Tipps:
- Beachten Sie die Erste-Hilfe-Tipps in den Kapiteln 2.1 – 2.3.!
- Wenn Sie Spannungen und Konflikte im Team spüren, fassen Sie sich den Mut, Ihre Wahrnehmung des Konflikts als Ihre subjektive Sicht der Dinge offen im Team anzusprechen. Verzichten Sie auf Vorwürfe oder Schuldzuweisungen. Normalerweise gibt es mindestens noch ein Teammitglied, das ähnlich denkt und fühlt wie Sie.
- Machen Sie sich bewusst, dass Sie nicht allein den Konflikt lösen können. Alle Teammitglieder werden ihre eigene Sicht dazu haben und müssen ihren Teil zur Lösung beitragen.
- Beachten Sie auch in diesem Fall, ob Sie sich auf Aussagen des Leitbildes, der Führungsrichtlinien oder Konfliktregelungsvereinbarungen stützen können.
- Regen Sie externe Unterstützung zur Konfliktregelung an!
Teams und Teamleitungen sind nicht in jedem Fall in der Lage, die komplexen Ursachen, Motive und Prozesse selbst zu analysieren und zu steuern, weil sie selbst Teil des Geschehens sind. Externe Berater*innen können helfen, Teamkonflikte zu analysieren und konstruktiv zu regeln. Die Investition lohnt sich allemal, wenn man die durch ungeregelte Konflikte entstehenden Kosten für Krankheitsausfälle, neue Bewerbungsgespräche, Einführung und Anleitung der ‚Neuen’, die Zeit für nutzlose und nicht weiterführende Diskussionen oder auch Imageschäden in der Öffentlichkeit gegenrechnet.
Coaching und Mediation
Konfliktcoaching und Mediation – zwei professionelle Verfahren der Konfliktlösung
Konfliktregelung durch Externe kann die Methode der Wahl in angespannten Teamsituationen sein.
Konfliktcoaching und Mediation sind zwei bewährte Formate der Konfliktregelung.
3.1. Das Konfliktcoaching
Beim Konfliktcoaching hat es der*die Coach immer nur mit einer Konfliktpartei zu tun. Der*die Coach berät die Person, wie sie einen Konflikt im privaten oder beruflichen Kontext lösen kann.
Als Konfliktcoach betrachtet man den Konflikt zusammen mit dem*der Ratsuchenden aus mehreren Perspektiven. Man erarbeitet Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen für den*die Ratsuchende*n. Darüber hinaus können Konfliktgespräche im Rollenspiel trainiert werden.
Bei allem Bemühen um Objektivität kommen beim Konfliktcoaching nur die subjektive Wahrnehmung und Wahrheit einer Konfliktpartei sowie die Ideen und Deutungen des*der Coach*s aus der mehrperspektivischen Betrachtung zum Tragen. Die subjektive Wahrnehmung und Wahrheit der abwesenden Konfliktpartei fehlen. Konfliktcoaching bleibt in dieser Hinsicht immer etwas einseitig gefärbt.
Ein*e Konfliktcoach berät auch Führungskräfte hinsichtlich der Konfliktprophylaxe, d.h. bei der Einführung von Frühwarnsystemen zur Konflikterkennung und Verfahren zur zeitnahen und nachhaltigen Lösung von Konflikten im Unternehmen.
Das Konfliktcoaching eines Konfliktpartners ist vielfach das Einstiegstor zu einer Mediation mit allen Konfliktbeteiligten.
3.2. Mediation
Mediation ist die effizienteste Form der Konfliktlösung im privaten, beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich.
Mediation:
- schafft WIN-WIN-Lösungen, d.h. es gibt im Idealfall keine*n Verlierer*in, sondern nur Gewinner*innen
- schont Nerven und Gesundheit aller Beteiligten und erhöht damit die Lebensqualität
- kann helfen, sich in gegenseitigem Respekt und fair zu trennen
- reduziert in Unternehmen die Konfliktkosten, die durch Krankheit, Fluktuation, schlechtes Betriebsklima, Anwälte und Gerichte verursacht werden; in Mediation zu investieren heißt effektiv Geld sparen und das Betriebsklima zu verbessern
Mediation ist keine Rechtsberatung, sondern ein offener, alternativer Lösungsansatz der Konfliktregelung. Beim Scheitern des Verfahrens stehen den Parteien die üblichen Rechtsmittel zur Konfliktlösung weiterhin offen.
Damit eine Mediation gelingt, sind folgende Voraussetzungen notwendig:
- die freiwillige Teilnahme aller Konfliktparteien am Verfahren
- der Wunsch fair zu kommunizieren und eine für alle Beteiligten nutzenbringende Lösung zu finden
- Vertraulichkeit und Verschwiegenheit aller Beteiligten
- die Allparteilichkeit des*der Mediators*in: er*sie würdigt alle Beteiligten gleichermaßen, fällt keine Entscheidungen und nimmt keine Bewertungen vor; er*sie moderiert lediglich den Prozess
- die Möglichkeit für die Konfliktparteien, das Verfahren jederzeit beenden zu können; auch der*die Mediator*in kann das Verfahren abbrechen
- ein neutraler Ort für die Abwicklung der Mediation.
Nach dem meist telefonischen Erstkontakt durchläuft eine Mediation folgende sechs Phasen:
- Phase 1: Vorbereitung und Mediationsvertrag
Die Parteien treffen sich mit dem*der Mediator*in. Das Verfahren wird erläutert und ein Mediationsvertrag geschlossen.
- Phase 2: Themensammlung
Alle Themen, die behandelt werden sollen, werden auf Flipchart oder Moderationswänden gesammelt.
- Phase 3: Interessensklärung
Die hinter den Themen verborgenen Interessen und Bedürfnisse werden erhellt und ebenfalls für alle sichtbar notiert.
- Phase 4: Kreative Ideensuche
In einem Brainstorming oder über eine andere kreativitätsfördernde Methode werden Ideen zur Regelung des Konflikts gesucht und ebenfalls festgehalten.
- Phase 5: Auswahl und Bewertung von Lösungsvarianten
Alle gefundenen Lösungsvarianten werden gesichtet, bewertet und ggf. gewichtet.
- Phase 6: Schriftliche Vereinbarung und Umsetzung
Das gefundene Ergebnis wird festgehalten und es werden ggf. Vereinbarungen zur Umsetzung bzw. zur Überprüfung des Ergebnisses getroffen.
Konfliktcoaching oder Mediation haben sich als Formate der Konfliktregelung im privaten und beruflichen Kontext bewährt und etabliert.
Wie eskaliere ich erfolgreich jeden Konflikt? – Zehn goldene Regeln
Jeder Mensch weiß, was er tun muss, um andere Menschen zu verletzen, auf die Palme zu treiben und Konflikte anzuheizen.
Wie man Konflikte im privaten und beruflichen Kontext mit Sicherheit verschärfen kann, ist hier in zehn goldenen Regeln zusammengefasst:
- Stellen Sie Ihr Gegenüber bloß!
- Bringen Sie Gerüchte in Umlauf!
- Starten Sie unter die Gürtellinie gehende Angriffe!
- Machen Sie keinerlei Zugeständnisse!
- Vertrauen Sie auf die Wirkung von Schuldvorwürfen!
- Setzen Sie auf Drohungen und Sanktionen!
- Vermischen Sie Person und Sache miteinander!
- Suchen Sie sich Verbündete!
- Verbauen Sie Ihrem Gegenüber jeglichen Ausweg, sein Gesicht zu wahren!
- Lehnen Sie die Vermittlung durch Dritte rigoros ab!
Bei solchem Vorgehen hat man das Diplom in erfolgreicher Konflikteskalation sicher in der Tasche!
Zitate zum Nachdenken
Abschließend noch drei Zitate zum Nachdenken und zur Stärkung der Selbstmanagementkompetenz bei Konflikten:
„Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Spruch der Anonymen Alkoholiker
„Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein.“
Joseph Joubert ( 1754–1824, französischer Moralist und Essayist)[1]
„Der Ursprung aller Konflikte zwischen mir und meinen Mitmenschen ist, dass ich nicht sage, was ich meine, und dass ich nicht tue, was ich sage.“
Martin Buber (1878-1965, jüd. Religionsforscher u. –philosoph)[2]
[1] Quelle: https://1000-zitate.de/7516/
[2] Quelle: https://www.zitate.de/autor/Buber%2C+Martin
Ich danke Herrn Fukerieder für seinen Gastbeitrag. Mehr zu ihm und seinem Angebot finden Sie hier.
Jochen Gust
Ein Kommentar