Laumann und Kretschmer drängen auf Reform der Pflegeversicherung

Die CDU hat einen Vorstoß zur Reform der Pflegeversicherung unternommen, bei dem die aktuelle Absicherung in eine Vollversicherung umgewandelt werden soll, die die pflegebedingten Kosten vollständig übernimmt. Dieses Konzept stammt aus Sachsen und Nordrhein-Westfalen und soll Pflegebedürftige sowie deren Angehörige finanziell entlasten. Die Ärztezeitung berichtete.

In Deutschland sind über 5 Mio. Menschen pflegebedürftig – Tendenz steigend. Das bedeutet einen erheblichen Kostenanstieg – die (zwischenzeitlich geplatzte) Ampel-Regierung hat jedoch nichts unternommen. Im Gegenteil: schon jetzt stehen auch durch die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach Beitragserhöhungen für 2025 und voraussichtlich 2026 fest. Die Krankenhausreform, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), wurde am 17.10. im Bundestag beschlossen. Schon dort zeigte sich Landesgesundheitsminister (NRW) Karl-Josef Laumann verärgert über den Vorgang, da die Interessen der Länder nicht ausreichend berücksichtigt seien – für ihn stand fest, dass das Gesetz in den Vermittlungsausschuss gehört (hier finden Sie einen Mitschnitt seiner Rede).

Auch die Folgen der immer weiter steigernden Kosten für die Versorgung pflegebedürftiger haben für Städte und Landkreise konkrete Auswirkungen: als Träger der Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) treffen sie Kosten in Milliardenhöhe.

Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, haben ein Konzept erarbeitet das wesentliche Entlastungen bringen soll. Der Beitrag von Michael Kretschmer und Karl-Josef Laumann (beide CDU) hebt die dringende Notwendigkeit einer Reform der Pflegeversicherung hervor. Die Autoren kritisierten die Untätigkeit der (mittlerweile geplatzten) Ampel-Koalition und fordern eine Entlastung der Pflegeversicherung von „systemfremden“ Kosten, wie der sozialen Absicherung von pflegenden Angehörigen und medizinischen Behandlungskosten.
Sie schlagen nicht weniger als einen grundlegenden Systemwechsel vor: Die Einführung einer Vollversicherung, die die pflegebedingten Kosten vollständig übernimmt. Dies würde Pflegebedürftige erheblich entlasten. Parallel dazu fordern sie eine bessere Unterstützung der häuslichen Pflege und eine klare Vereinfachung der bestehenden Strukturen.

Jochen Gust: Welche konkreten Schritte müssen zuerst umgesetzt werden, um die Pflegeversicherung von den systemfremden Kosten zu entlasten, und wie schnell könnte dies realisiert werden?

Karl-Josef Laumann: Leistungen wie die soziale Sicherung von Pflegepersonen sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht die Pflegeversicherung belasten sollten. Diese Leistungen könnten sofort aus Steuermitteln erstattet werden. Das würde die Finanzen der Pflegeversicherung zumindest kurzfristig stabilisieren und Zeit verschaffen, um eine richtige Finanzreform anzugehen. Zusätzlich hat die Bundesregierung noch nicht alle pandemiebedingten Aufwendungen erstattet, was eigentlich vereinbart war.

In diesem Sinne habe ich – zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern – die Bundesregierung im Oktober nochmals aufgefordert, die Liquidität der Pflegeversicherung im Rahmen eines Sofortprogramms unverzüglich sicherzustellen.

Jochen Gust: Wie stellen Sie sicher, dass die Einführung einer Vollversicherung für Pflegebedürftige nicht zu zusätzlichen Belastungen für andere soziale Sicherungssysteme führt?

Karl-Josef Laumann: Zunächst einmal würde eine Pflegeversicherung, die pflegebedingte Kosten übernimmt, die Pflegebedürftigen und deren Angehörige entlasten. Das sollte an erster Stelle genannt werden. Entlastet würden auch die kommunalen Haushalte und damit letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, da weniger für „Hilfe zur Pflege“ ausgegeben werden müsste. Da Rentnerinnen und Rentner die Beiträge zur Pflegeversicherung vollständig selbst tragen, würde durch eine vollständige Übernahme aller pflegebedingten Kosten auch die Rentenversicherung nicht belastet. Zusätzliche Belastungen für andere soziale Sicherungssysteme sehe ich daher nicht.

Natürlich ist die Stabilisierung unserer Sozialversicherungssysteme aber übergreifend zu verstehen und daher ist es ja auch sehr wichtig zu differenzieren, was der umlagefinanzierte Versicherungszweig leistet und was gesamtgesellschaftlich oder durch jeden einzelnen und im Rahmen individueller Vorsorge zu tragen ist. Vor allem aber muss es uns gelingen, die häusliche Pflege deutlich zu stärken. Denn: Die allermeisten wollen nach wie vor in der häuslichen Umgebung gepflegt werden.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; ©Foto: Land NRW / Ralph Sondermann

Jochen Gust: Welche Maßnahmen planen Sie, um den Zugang zu häuslichen Pflegeleistungen zu verbessern und den „Leistungsdschungel“ zu beseitigen?

Karl-Josef Laumann: Das Pflegesystem wird immer komplexer: Für die betroffen Menschen steigt die Undurchschaubarkeit. Nötig sind weniger Sonder- und Einzelregelungen, mehr unbürokratische Entlastungsangebote. Denn aufgrund der demographischen Entwicklung kann das Potential an professioneller Pflege nicht unbegrenzt ausgebaut werden. Daher müssen Pflege, aber vor allem die Betreuung durch Angehörige oder Netzwerke wie etwa die Nachbarschaftshilfe, noch mehr in den Blick genommen werden. Dafür muss aus meiner Sicht der Gedanke der Vereinheitlichung von Leistungen sowie eines möglichst frei verfügbaren Budgets für Entlastungsleistungen deutlich vorangetrieben werden.

Jochen Gust: Ich danke Herrn Minister Laumann für seine Antworten.

Es gibt wohl kaum jemanden der mit Pflege in Berührung steht, den die aktuelle Situation zufriedenstellt. Wohl aber erwarten die allermeisten Menschen, darunter nicht nur Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegefachpersonen konkretes Handeln. 2025 ist nun vorzeitig Bundestagswahl. Die wachsende Zahl Pflegebedürftiger und jener, die sich jeden Tag ihr Bestes tun für eine optimale Versorgung sind ein Wählerpotential, dass von vielen Parteien nach wie vor nicht ausreichend ernst genommen wird. Gut, dass Michael Kretschmer und Karl-Josef Laumann Ihre Ideen dargestellt und zusammengefasst haben.

Persönlich erwarte ich von der aktuellen Rest-Bundesregierung nichts mehr in dieser Richtung. Wohl aber hoffe und erwarte ich in der nächsten Legislaturperiode entscheidende Schritte, auch in Sachen Pflegeversicherung. Und ich vermute, dass Karl-Josef Laumann dabei eine entscheidende Rolle spielen wird.

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