Schlafstörungen und Demenz: Antworten von Prof. Dr. Köpke zum Projekt MoNoPol-Sleep

Schlafstörungen sind für die Betroffenen sehr belastend. Menschen mit Demenz leiden häufig darunter. Und ihre sorgende Umgebung. Was hilft? Schlafstörungen sind ein häufig unterschätztes Problem. Einerseits, weil die Betroffenen dadurch erheblich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt werden können, andererseits weil ausreichend guter Schlaf wichtig für die Gesundheit und eine Reihe von körperlichen Funktionen ist. Schlafmangel beeinträchtigt auch die Konzentration und das Gedächtnis – und Sie kennen es vermutlich von sich selbst, wie „nervendünn“ Sie seien können, wenn Sie nicht ausreichend schlafen konnten.

Verwirrt und schlafgestört

Gelegentlich ist, wenn es um Demenzerkrankungen geht, von einer Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus die Rede. Es würde bedeuten, dass jemand tagsüber (durch)schläft, nachts durchgehend wach ist. Eben genau im umgekehrten Rhythmus, wie es sonst für uns normal ist. Vielmehr wird Schlaf bei Menschen mit Demenz stärker fragmentiert. Wiederkehrende Unterbrechungen, nächtliche Unruhe, Verwirrtheitszustände im Sinne fehlender Orientierung, zu viele Tagschlafphasen etc. . Störungen im Schlaf-Wachrhythmus ist daher die treffendere Bezeichnung.

Kaum Konzepte und Maßnahmen

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Die wenigstens Einrichtungen, selbst wenn sie behaupten eine spezielle Versorgung von Menschen mit Demenz anzubieten, haben entsprechende Nachtkonzepte. Die Mitarbeitenden im Nachtdienst werden weitgehend mit der Problematik alleingelassen. Nicht nur im Krankenhaus, auch in der stationären Altenpflege und in der häuslichen Pflege gibt es kaum Unterstützung oder standardisierte Vorgehen. Reagiert wird häufig mit sehr allgemeinen Tipps oder mit Medikamenten. Ursachenforschung – was den Schlaf des/der Betroffenen im Einzelfall tatsächlich stört, gibt es zu selten.

MoNoPol-Sleep – Maßnahmen der Schlafhygiene

Es gibt eine Vielzahl an Empfehlungen, abseits von Medikamenten, was den gesunden Schlaf fördern soll. Das Projekt MoNoPol-Sleep („Multimodale, nicht-pharmakologische Intervention bei Schlafproblemen von Altenpflegeheimbewohner*innen mit Demenz“) hat unter Beteiligung des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln untersucht, was abseits von Medikamenten in Pflegeeinrichtungen empfehlenswert ist. Prof. Dr. Sascha Köpke gibt Antworten: (das Interview ist zuerst in Demenz Pflege und Betreuung Ausgabe 2/2023 erschienen).

Jochen Gust: Herr Prof. Köpke – Schlafstörungen: wie häufig sind Menschen mit Demenz betroffen und welche Folgen hat das?

Prof. Dr. Köpke: Schlafstörungen sind sehr häufig bei Menschen mit Demenz. Aktuelle Übersichtsarbeiten (Wenberg 2017, Webster 2020) berichten von 70-80% der Betroffenen mit einer oder mehreren Arten von Schlafstörungen. Die Zahlen schwanken jedoch z.B. je nach Erhebungsmethode, Schwere der Demenz oder Wohnumfeld. Für den Bereich der stationären Altenpflege haben wir Pflegende befragt, die berichtet haben, dass ca. ein Viertel der Bewohner:innen mit Demenz von Schlafstörungen betroffen sind (Wilfling 2019). Studien, die mittels Aktigraphie, also mit Sensoren, den Schlaf messen, kommen jedoch mit bis 80% zu deutlich höheren Zahlen (Webster 2020). Schlafprobleme können eine Reihe weiterer nachteiliger Folgen mit sich bringen, wie Stürze, einen langfristig gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus, Unruhe, eine Verschlechterung der Kognition sowie eine beeinträchtigte Lebensqualität (Fung 2016). Auch für Pflegende und Angehörige sind Schlafstörungen häufig ein wichtiger Belastungsfaktor.

Jochen Gust: Mit MoNoPol-Sleep wurde untersucht, was zur Minderung von Schlafstörungen bei Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen beiträgt. Warum hat sich die Studie speziell auf Betroffene in Altenheimen bezogen – sind Schlafstörungen in der häuslichen Versorgung seltener?

Prof. Dr. Köpke: Für den Bereich der häuslichen Versorgung gibt es weniger Zahlen, eine aktuelle Übersichtsarbeit (Kwon 2021) berichtet hier von 21% Menschen mit Demenz und Schlafstörungen. Es ist also davon auszugehen, dass hier Schlafstörungen seltener sind als in stationären Pflegeeinrichtungen. Das liegt sicher zum einen daran, dass Menschen mit Demenz in der Häuslichkeit meist weniger stark von Demenz betroffen sind, aber zum anderen natürlich am Wohnumfeld. Externe Faktoren, wie der Einfluss anderer Bewohner:innen oder Strukturen und Arbeitsabläufe in stationären Einrichtungen können zu Schlafstörungen führen bzw. diese verschlechtern. Dies ist ein Grund dafür, dass wir die Studie in Pflegeheimen durchgeführt haben, aber natürlich ist es in diesem Setting auch prinzipiell einfacher als in der häuslichen Versorgung pflegewissenschaftliche Studien durchzuführen, da hier mehr Betroffene und Pflegende erreicht werden und man gemeinsam versuchen kann schlaffördernde Prozesse und Strukturen zu schaffen.

Maßnahmen ohne Nebenwirkungen

Jochen Gust: Können Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie zusammenfassen – welche Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen unterstützen jetzt – nachweislich – die Normalisierung des Schlaf- Wachrhythmus von Bewohnern mit Demenz?

Prof. Dr. phil. Sascha Köpke, Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln zum Projekt MoNoPol-Sleep.

Prof. Dr. S. Köpke: Institut für Pflegewissenschaft

Prof. Dr. Köpke: Es tut mir leid, aber die Frage ist nicht ohne weiteres zu beantworten, da wir nicht einzelne Maßnahmen untersucht haben, sondern ein Maßnahmenpaket. In den Einrichtungen, die dieses Maßnahmenpaket eingeführt haben, kam es zu einer deutlichen Senkung von Schlafstörungen um 25% bei Bewohner:innen mit Demenz. Wir wissen, dass Medikamente nicht geeignet sind, um Schlafstörungen bei Menschen mit Demenz erfolgreich zu behandeln (McCleery 2020), darum sollten wir uns auf andere Maßnahmen konzentrieren. In einer eigenen aktuellen Übersichtsarbeit zu nicht-medikamentösen Maßnahmen (Wilfling 2022) zeigen sich für körperliche und soziale Aktivitäten positive Effekte, während für die Lichttherapie keine klare Aussage möglich ist. Auch für sogenannte multi-modale Interventionen, also Ansätze, die verschiedene Maßnahmen kombinieren, zeigten sich positive Effekte. Häufig genutzte Maßnahmen waren hierbei, neben den gerade genannten, auch einfache Veränderungen der Umgebungsfaktoren oder der Abläufe und Strukturen. Hierzu gehören u.a. die Vermeidung von nächtlichem Lärm und nächtlichen Störungen, die Beachtung individueller Schlafroutinen und -rituale, die Vermeidung von Tagesschlaf und die Schulung des Pflegepersonals. Wichtig zu erwähnen ist, dass, anders als bei Medikamenten, praktisch keine Nebenwirkungen der Maßnahmen zu erwarten sind, so dass man ohne weiteres verschiedene Ansätze ausprobieren kann. Auch die MoNoPol-Sleep-Intervention besteht aus verschiedenen Maßnahmen, die individuell an die Einrichtung und die Bewohner:innen angepasst werden. Ein wichtiger Aspekt ist ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und gemeinsam mit allen Beteiligten zu überlegen, welche Möglichkeiten es auf Ebene der Einrichtung, des Personals und der Bewohner:innen gibt. Dies kann von einfachen Maßnahmen zur nächtlichen Lärmreduktion über die Berücksichtigung persönlicher Bewohenr:innenpräferenzen oder das Anbieten abendlicher Aktivitäten bis hin zu strukturellen und baulichen Veränderungen gehen.

Jochen Gust: Halten Sie die genannten Maßnahmen, sofern sie nicht an den Ort „Pflegeheim“ gebunden sind, prinzipiell für in die Häuslichkeit übertragbar?

Prof. Dr. Köpke: Ja, das ist sicher möglich, unabhängig davon, ob es eine Betreuung durch einen Pflegedienst gibt oder nicht. Im Mittelpunkt der erfolgreichen MoNoPol-Sleep-Interventionen steht ja die intensive Beschäftigung mit der individuellen Situation der Betroffenen und ihres Umfeldes und das Angebot verschiedener Maßnahmen zur Vermeidung von Schlafstörungen. Dies ist auch im Bereich der häuslichen Versorgungen möglich und sinnvoll.

Kaum spezielle Nachtangebote

Jochen Gust: Entgegen der etablierten Tagespflege gibt es in Deutschland keine flächendeckend verfügbaren Nachtpflegeeinrichtungen. Wäre eine solche Institution angesichts der Häufigkeit und Wirkung von Schlaf-Wachrhythmusstörungen bei Menschen mit Demenz nicht geboten – und woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass diese fehlen?

Prof. Dr. Köpke: Nachtpflegeeinrichtungen sind ja erstmal keine Maßnahme zur Vermeidung von Schlafstörungen, sondern dienen v.a. der Senkung der Belastung von Pflegenden und pflegenden Angehörigen. Ein individuell angepasster regelmäßiger Schlaf-Wachrhythmus sollte aus meiner Sicht das primäre Ziel sein und hierzu gibt es einige Maßnahmen, die ausprobiert werden können. Dies gelingt jedoch zumindest in manchen Phasen der Demenz nicht immer und hier wären prinzipiell nächtliche Angebote sinnvoll. Dass es solche Angebote kaum gibt hat sicher vielfältige Gründe. Die in stationären Pflegeeinrichtungen hierzulande vor einiger Zeit geschaffenen „Nachtcafés“ sind nach meinem Wissen v.a. deshalb wieder geschlossen worden, weil es keinen Bedarf gab bzw. weil der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen stand. Dies könnten aus meiner Sicht durchaus auch für Nachtpflegeeinrichtungen gelten.

Problembewußtsein schaffen

Jochen Gust: Hat die Studie MoNoPol-Sleep auch für Sie Überraschendes zu Tage gefördert? Gibt es eine Maßnahme zur Schlafförderung die Pflegende anwenden können, die überraschend gut funktioniert? Oder nicht funktioniert?

Prof. Dr. Köpke: Das kann ich wie gesagt so nicht sagen, weil der Ansatz darin bestand, in den Einrichtungen erstmal ein Bewusstsein für die Bedeutung von Schlafproblemen bei Menschen mit Demenz zu wecken sowie einen bunten Strauß möglicher Maßnahmen vorzuschlagen und diese individuell angepasst umzusetzen. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass alle Beteiligten das Thema auf dem Zettel haben. So nützt es nichts, wenn quietschende Türen als schlafstörend erkannt werden, jedoch niemand in der Lage ist das Quietschen abzustellen. Oder wenn Ohrstöpsel und Schlafbrillen als sinnvoll erkannt werden, diese aber nicht vorhanden sind. Letztendlich braucht es, wie bei jeder guten geplanten personzentrierten Pflege, eines gemeinsamen geplanten strukturierten Vorgehens auf Basis von individuellen und institutionellen Assessments.

Jochen Gust: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten.

Foto: S. Köpke; selbst

Titelfoto: cottonbro-studio on pexels

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