Konflikt im Krankenhaus – (1.) Hilfe

Der zweite Teil des Gastbeitrages von Reinhard Fukerieder. Den 1. Teil lesen Sie hier.

Konflikte zu regeln, ist ein komplexes Thema, das manchmal nur mit Unterstützung von Externen bewältigt werden kann.

Konfliktregelung – Erste-Hilfe-Tipps

Was jede*r Einzelne selbst tun kann, um Konflikte zu regeln, wird beispielhaft für vier Konfliktebenen beschrieben:

  • Konflikte in mir
  • Konflikte zwischen Kolleg*innen
  • Konflikte im Team
  • Konflikte mit Vorgesetzten

Die Erste-Hilfe-Tipps sind Anregungen, Konflikte aktiv anzugehen und nicht unter den Teppich zu kehren

Konflikte in mir – die Kluft zwischen eigenem Anspruch und vorgefundener Arbeitswirklichkeit

Eine Pflegekraft klagt:

„Wegen des Personalmangels haben wir sowieso schon wenig Zeit für die Pa­tientinnen und Patienten, und jetzt müssen wir immer mehr Zeit mit Dokumen­tationen und Akten verbringen. Ich verwalte mehr als ich pflege. Das ent­spricht nicht meinem Berufsbild und meinem Selbstverständnis. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer aushalten kann!“

So oder so ähnlich geht es vielen Menschen an ihrem Arbeitsplatz:

Durch die sich schnell verändernden Rahmenbedingungen der Arbeit (Einspa­rungen an Geld- und Personal, mehr Kunden/Patienten/zu Betreuende in der gleichen Zeit mit weniger Personal, Dokumentationspflichten u.v.m.) wird das be­rufliche Selbstver­ständnis, die berufliche Identität und damit die Sinnhaftigkeit dessen, was man tut, in Frage gestellt.

Es gibt nur drei Möglichkeiten mit diesem Konflikt umzugehen:

  • Nicht weiter fragen und sich nicht damit auseinandersetzen, also Augen zu und durch! Diese Strategie führt auf Dauer zu Dienst-nach-Vorschrift-Mentalität, innerer Kündigung und weiterer Entfremdung.
  • Kündigen und einen anderen Beruf ausüben! Das muss man sich im wahrsten Sinne des Wortes leisten können. Häufig ist das ein Fluchtverhalten, das meist nur kurzfristig vom Druck befreit, weil die Rahmenbedingungen der Pflege im Gesundheitssystem auch bei einem anderen Arbeitgeber ähnlich sind.
  • Eigene Ideale und Ansprüche an die Arbeitsrealität und Rahmenbedin­gun­gen anpassen! Das ist anstrengend, geht nicht von heute auf morgen, bringt aber auf Dauer die größte Arbeitszufriedenheit.

Erste-Hilfe-Tipps

  1. Finden Sie den gesunden goldenen Mittelweg zwischen Ihren Ansprüchen und der Arbeitswirklichkeit! In einem Bild ausgedrückt: Die starre Fichte bricht leichter im Sturm als die flexible Birke! D.h. allerdings nicht An­passung um jeden Preis. Sie müssen sich schon auch noch selbst im Spie­gel anschauen können!
  2. Unterscheiden Sie Situationen und Verhaltensweisen, die Sie unmittelbar än­dern können, von Situationen und Verhaltensweisen, die Sie nicht verän­dern können!
  3. Fühlen Sie sich nicht verantwortlich für strukturelle Defizite, sondern über­neh­men Sie Verantwortung für Ihr Reden und Ihr Handeln!

Konflikte zwischen Kolleg*innen – oder: Wehret den Anfängen!

Für Konflikte unter Kolleg*innen gibt es eine Fülle von Ursachen: Missverständnisse, Konkurrenz, Karrieredenken, Neid, Machtstreben, besserer Verdienst, interessantere Arbeit, Ansehen beim Chef, Begleichung alter Rechnungen u.v.m.

Zur Entstehung von kollegialen Konflikten tragen hauptsächlich zwei Dinge bei:

  • die Missdeutung von Worten und körpersprachlichen Zeichen (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Stimme) des Gegenübers sowie
  • das zu späte Ansprechen der dadurch ausgelösten Veränderung in der Ar­beits­beziehung.

Als typisches Beispiel dafür kann folgende Äußerung einer Pflegekraft gelten:

„Seit Monaten herrscht zwischen mir und meinem Kollegen Funkstille. Wir grüßen uns kaum noch, reden nur noch das Allernötigste miteinander. Das Verhältnis zwischen uns ist ziemlich abgekühlt. Jetzt ist es schon vorgekom­men, dass er mir Informationen vorenthalten hat. Ich weiß nicht, ob er das ab­sichtlich gemacht hat. Das Vertrauen ist irgendwie weg. Ich habe schon ver­sucht mit ihm zu reden, aber er lehnt das ab, und ich weiß eigentlich gar nicht so genau, warum er sich so verhält.“

Die Wahrnehmung, dass mich mein*e Kolleg*in morgens nicht mehr so freundlich grüßt, kann man für sich auf verschiedene Art und Weise deuten:

  • Der mag mich nicht mehr!
  • Der hat vielleicht Sorgen und ist momentan nur mit sich selbst beschäftigt!
  • Der ist ein Morgenmuffel und braucht erst seine Anlaufzeit, dann spricht er schon wieder!

Je nach Deutung fühlt man sich verletzt, beleidigt, hilflos und ärgerlich.

Das Problem dabei ist: Solange man seine Deutung und die ausgelösten Gefühle für sich behält, besteht die Gefahr, dass man sich auf einen Holzweg begibt und einer Täuschung unterliegt.

Nur wenn man der*dem Kolleg*in seine Wahrnehmung, seine Deutung und die bei sich ausgelösten Gefühle mitteilt, kann man überprüfen, ob man richtig oder falsch liegt.

Voraussetzung dafür ist, dass man sich traut, den*die Kolleg*in anzusprechen und er*sie bereit ist, sich auf ein Gespräch einzulassen.

Wenn man den Konflikt nicht anspricht, blockiert man sich dadurch selbst, ver­schwendet Zeit, darüber nachzudenken, was der*die Kolleg*in gemeint haben könn­te. Man schluckt seine Gefühle hinun­ter. Im Laufe der Zeit füllt sich das Fass der Ge­fühle (meist ist es Ärger) immer weiter, bis es nur noch den berühmten Tropfen braucht, der es zum Überlaufen bringt. Das ist kein hilfreiches Vorgehen.

Erste-Hilfe-Tipps:

  1. Lernen Sie, Konflikte als Chance zum Lernen zu begreifen. Diese Einstellung hilft Ihnen, gelassener und mutiger Konflikte anzusprechen.
  2. Sprechen Sie Gedanken und Gefühle, die Sie in der Beziehung zu Kolleg*in­nen blockieren, zeitnah an. Dann rauben sie Ihnen weder zuviel Energie noch den Nachtschlaf.
  3. Sprechen Sie von sich (Ich-Aussagen!) und teilen Sie Ihren Kolleg*innen mit:
  4. welches Verhalten Sie konkret beobachtet haben,
  5. wie Sie dieses Verhalten deuten,
  6. welche Gefühle das bei Ihnen auslöst.
  7. Geben Sie Ihnen Auskunft und lassen sie sich auf das Gespräch ein, überle­gen sie ge­meinsam, wie sie künftig miteinander umgehen wollen.
  8. Stoßen Sie auf Ablehnung, warten Sie ab und versuchen Sie es vielleicht noch mal bei anderer Gelegenheit.
  9. Wenn auch das nichts fruchtet, überlegen Sie, wer zwischen Ihnen vermitteln könnte.

Über die Konfliktlösung mit Vorgesetzen oder im Team und wie Coaching dabei helfen kann, lesen Sie im 3. und letzten Teil des Gastbeitrages.

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