„Wir haben den Pflegeberuf moderner und attraktiver gemacht und die Bezahlung enorm verbessert.“

Nach Karl-Josef Laumann und Andreas Westerfellhaus (beide CDU) wurde Claudia Moll (SPD) am 12. Januar 2022 Pflegebevollmächtigte, ernannt von der Ampel-Regierung unter Olaf Scholz. Was hat sie erreicht?

Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung ist die zentrale politische Ansprechpartnerin für alle Themen rund um Pflege in Deutschland. Sie soll die Situation von Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und professionellen Pflegekräften verbessern und arbeitet eng mit dem Bundesgesundheitsministerium zusammen.

4 Fragen an Claudia Moll zur vergangenen Legislaturperiode

Jochen Gust: Frau Moll, als Pflegebevollmächtigte haben Sie die Interessen von Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und beruflich Pflegenden im Blick. Wie stehen wir Ihrer Meinung nach da in Sachen Pflege?

Claudia Moll: Wir haben in der Pflege schon viel erreicht und trotzdem werden die Herausforderungen nicht kleiner. Wir haben den Pflegeberuf moderner und attraktiver gemacht und die Bezahlung enorm verbessert. Heute wird schon in der Ausbildung richtig gut verdient. Mich ärgert aber, dass wir das Pflegekompetenzgesetz und das Pflegeassistenzgesetz nicht mehr wie geplant verabschieden konnten, das muss schnellstmöglich nachgeholt werden. Denn beide Gesetze werden die Pflege noch weiter stärken.

Ein wichtiger Erfolg für die Menschen mit Pflegebedarf ist es, dass die längst überfällige Anhebung und Dynamisierung der Leistungsbeträge in der Pflegeversicherung erfolgt ist. Auch die Einführung des gemeinsamen Jahresbetrags für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege war ein erster, wichtiger Schritt in Richtung eines Budgets, um Leistungen der Pflegeversicherung flexibler nutzen zu können. Diesen Weg müssen wir noch weiter gehen. Die Pflegeversicherung ist gerade 30 Jahre alt geworden und vieles, was damals eingeführt wurde, passt heute einfach nicht mehr. Ich habe immer gesagt, dass wir die Pflege neu gestalten müssen und nun ist es an der Zeit, das System und die Finanzierung grundsätzlich zu reformieren. Es gibt dazu bereits viele gute Vorschläge, die diskutiert werden müssen.

Jochen Gust: Als Pflegebevollmächtigte sollten Sie bei allen Vorhaben der Regierung mit Pflegebezug beteiligt sein. Wie gut ist das gelungen in der vergangenen Legislaturperiode und bei welchen Vorhaben der Regierung in Sachen Pflege waren Sie involviert, was konnten Sie persönlich erreichen?

Claudia Moll: Wir haben in der Pflege richtig viel erreicht und ich bin unendlich froh, und ja, auch ein bisschen stolz, dass ich da meinen Teil zu beitragen konnte. Die Pflege ist ein Riesenthema, nicht nur wegen der demografischen und finanziellen Herausforderungen, sondern auch weil fachlich fast alle Ministerien und alle Ebenen eine Rolle spielen: Bund, Länder, Kommunen, die Pflegekassen, Einrichtungen und mehr als 13 Mio. Menschen, die als Pflegebedürftige oder Angehörige direkt betroffen sind. All diese Themen und die Menschen, die sich damit beschäftigen, zusammenzubringen, das habe ich als meine besondere Aufgabe gesehen und das ist gut gelungen. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen und konnte viele gute Ideen an die richtigen Stellen weitertragen und Änderungen, wie z. b. den Gemeinsamen Jahresbetrag anstoßen. Und vor allem: es gab kaum jemanden, der gemauert hätte. Wir haben in der letzten Legislaturperiode endlich den Schritt geschafft zu sagen, wir müssen Pflege neu gestalten. Weiter-so funktioniert nicht mehr. Und wir müssen alle unseren Teil beitragen. Neben konkreten Verbesserungen wie höheren und flexibleren Leistungen ist das der richtig große Erfolg.

Jochen Gust: Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach empfunden? Ihm wird nicht selten vorgeworfen, sich vor allem auf Krankenhäuser und Ärzteschaft fokussiert zu haben. Die Altenpflege erschien eher sekundär.

Claudia Moll: Ich kenne Karl Lauterbach schon lange. Uns verbindet, dass wir beide für unsere Themen brennen. Die Pflege ist wichtig und für mich das Thema, das mich am meisten bewegt und wo ich etwas voranbringen will. Aber ich sehe natürlich auch, dass es bei anderen Themen ebenfalls immensen Handlungsbedarf gibt, z. B. bei den Krankenhäusern, die Sie angesprochen haben, und die Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister auch im Blick haben muss. Genauso hat er aber auch gesehen, dass sich in der Pflege ganz grundlegend was tun muss. Und da haben wir gut zusammengearbeitet. Er hat sich für vieles eingesetzt, was mir am Herzen lag, die schon angesprochenen Punkte, aber auch die Beteiligung der Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, gute Arbeitsbedingungen oder die Stärkung der Kommunen. Der gute Weg, auf dem wir in der Pflege gerade sind, der wäre ohne ihn so auch nicht möglich gewesen. Politik und gerade Gesundheits- und Pflegepolitik funktioniert nur mit Zusammenarbeit.

© Pflegebevollmächtigte, Holger Groß

Jochen Gust: In Deutschland leben ca. 2 Mio. Menschen mit Demenz. Sie sind besonders betroffen, wenn es an flächendeckender Versorgung mangelt da ihr Bedarf mit Fortschreiten der Erkrankungen enorm ist und über einen längeren Zeitraum 24-Stunden am Tag erfordern kann. Wie kann die Politik dafür sorgen, dass sich deren Situation nicht weiter verschlechtert?

Claudia Moll: Als gelernte Altenpflegerin kenne ich die Situation und Herausforderungen von Menschen mit einer Demenz und deren Angehörigen nur all zu gut. Die allermeisten Menschen möchten auch mit Pflegebedarf so lange wie möglich zu Hause versorgt werden. Und ich finde, wir müssen alles dafür tun, um Strukturen zu schaffen, die das auch ermöglichen. Dazu gehört zum Beispiel wie eingangs erwähnt ein flexibles Entlastungsbudget. Den Einstieg dahin haben wir geschafft, aber hier brauchen wir noch viel mehr Flexibilität. Die Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien müssen selbstbestimmter entscheiden können, welche Leistungen sie brauchen und nutzen wollen. Ohne Angehörige, Nachbarn, Freunde wäre ein Verbleib in der Häuslichkeit oft gar nicht möglich. Deshalb müssen wir diese Menschen auf allen Ebenen unterstützen. Die Nutzung von Homeoffice wäre, da wo es möglich ist, zum Beispiel sehr hilfreich. Aber auch die Weiterentwicklung der Quartierspflege vor Ort und eine stärkere Nutzung von ehrenamtlichem Engagement sind wichtige Bausteine. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass wir nie wieder so viele Pflegekräfte haben werden wie heute, gleichzeitig wächst aber die Zahl der pflegebedürftigen Menschen. Die professionelle Pflege allein kann das gar nicht stemmen.

Aus meinen Gesprächen mit Angehörigen weiß ich aber auch, dass die hohen Eigenanteile in den Pflegeeinrichtungen den Menschen Sorgen machen. Das verstehe ich. Auch deshalb sage ich, dass wir eine grundlegende Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflege brauchen.

Jochen Gust: Ich bedanke mich für die Antworten.

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Jochen Gust

Pflegefachperson, Projektmitarbeiter, Demenzbeauftrager im Krankenhaus, Autor, Moderator, Dozent

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