Betreuung und Pflege: die Zusammenarbeit ist vielerorts katastrophal schlecht

„Die spielen doch nur, während wir arbeiten müssen.“, sagen Pflegende über die Betreuungskräfte in einem Pflegeheim. „Die reden nur vom Waschen und geben Tabletten, sehen aber den ganzen Menschen nicht.“, sagen Betreuungskräfte über die Pflege.

Seit vielen Jahren sind sie Teil der Versorgung im Pflegeheim (und anderswo): sogenannte zusätzliche Betreuungskräfte. Ihre Aufgaben sind vielfältig bzw. geregelt: zusätzliche Zuwendung und Aktivierung, die der Teilhabe und dem Erhalt von Lebensqualität dient. Vorgesehen ist, dass dies in enger Kooperation und nach Absprache mit der Pflege geschehen soll.

Ich schule hin und wieder auch zusätzliche Betreuungskräfte in Sachen Demenz. Schon letztes Jahr nahmen speziell für diese Berufsgruppe die Anfragen zu, 2024 hat sich das nochmal verstärkt. Manchmal sind die Gruppen auch gemischt, was mehr oder minder sinnvoll ist – je nach Intension und Thema.

Deutlich wird aber immer wieder: eine gute Zusammenarbeit zwischen Pflege und Betreuung ist oftmals nicht das, was mir Teilnehmer zurückmelden. Und beiden Gruppen ist gemein, dass sie sich von der jeweils anderen Berufsgruppe nicht ausreichend respektiert, geschätzt und einbezogen fühlt. Interdisziplinäre Zusammenarbeit sollte im Interesse von Pflegebedürftigen eigentlich für alle Gesundheitsprofis selbstverständlich sein. In Sachen Betreuung und Pflege ist sie das im Pflegeheim jedoch meiner Wahrnehmung nach oft nicht. Oftmals gibt es, außerhalb der Dokumentation die ja „jeder lesen kann“, keinen Austausch – und keine Zusammenarbeit. Zumindest keine gezielte hinsichtlich der Bedürfnisse, Wünsche und Interessen der Pflegebedürftigen. In Krankenhäusern sind vielfach zusätzliche Betreuungskräfte überhaupt nicht vorhanden – weil nicht gegenfinanziert. Noch immer endet der zusätzliche Betreuungsbedarf von Menschen mit Demenz hierzulande an der Krankenhaustür.  

Viele Kolleginnen und Kollegen der Pflege scheinen zu unterschätzen, was Betreuungskräfte in Sachen Demenz bewirken können, wenn sie vernünftig eingebunden sind. Andererseits treffe ich viele Betreuungskräfte, denen außer „Unterhaltung und Ablenkung bieten“, ebenfalls nicht klar zu sein scheint, welche Rolle sie einnehmen könnten. Während Betreuungskräfte einen Missbrauch durch die Einrichtungen beklagen, weil sie zu oft zu Servicekräften gemacht werden deren Großteil der Arbeitszeit aus dem Verteilen der Mahlzeiten und dem Abräumen dreckigen Geschirrs besteht, marginalisieren sie sich inhaltlich oft genug auch selbst. Auf die Frage hin, wie sie z.B. die Motorik eines bestimmten Menschen fördern und zur Prävention von Stürzen beitragen können, ist man ratlos. „Spazierengehen, eben.“. Gezielte Abendbeschäftigung bei Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen für Menschen mit Demenz? Krafterhalt, Vermeidung von Mangelernährung, Erhalt praktischer Fähigkeiten und und und. Oft Fehlanzeige. Vielfach verwechseln Betreuungskräfte auch die Aufgabe, für und mit Pflegebedürftigen etwas Gutes zu bewirken. Stattdessen nimmt man selbst an, man sei ausschließlich dafür da Pflege- und Betreuungsbedürftigen etwas Gutes zu tun…. . Ein Irrtum, der auch Pflegenden nicht fremd ist.

In vielen Pflegeheimen scheint es kaum oder keine Schnittstellen der Zusammenarbeit zu geben – und zwar der fachlichen Zusammenarbeit, nicht der menschlichen (gemeinsame Pausen sind durchaus da und dort vorhanden). Fallbesprechungen, die verlässliche Teilnahme an Übergaben? Oft Fehlanzeige.

Pflegefachleute müssten hier viel stärker leitend und lenkend eingreifen und gestalten – im Interesse der ihnen anvertrauten Menschen ebenso wie im eigenen. Stattdessen wird eher ein in-Frage-stellen der eigenen Kompetenz gewittert und teils harsch reagiert bis hin zum Vorwurf der „Deprofessionalisierung“. Es wirkte in Schulungen und Beratungen bislang teilweise komisch-traurig, wenn gestandene Pflegefachpersonen offenbar Angst um ihre fachliche Deutungshoheit hatten, andererseits mehr oder minder unverhohlen über die „Pseudoausbildung Betreuungskaft“ spotteten. Was konkret ist denn die Angst nun, die eine enge Zusammenarbeit im Interesse der Heimbewohner verhindert?

Das ist von Ort zu Ort unterschiedlich, oft aber ähnlich. Und man kann daran arbeiten. Dazu braucht es aber selbstreflektierte und selbstbewusste Kolleginnen beider Berufsgruppen, die das eigentliche Ziel im Blick behalten, statt ihre persönliche Frustration wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Tipp: nutzen Sie dafür das Internet, wie so viele andere auch.

Wenn Pflegefachleute als eigenständige Berufsgruppe selbstbewusst „Augenhöhe“ von Medizinern fordern, wenn es um Maßnahmen für Pflegebedürftige geht, sollten sie auch in der Lage seien, andere Perspektiven zuzulassen und ins gemeinsame Vorgehen zu integrieren (oder aus guten Gründen zu verwerfen). Was in der Geriatrie gelebte Praxis ist an interdisziplinärer Zusammenarbeit, muss sich vielerorts auf Pflegeheime erst noch übertragen.

Das ist jedenfalls mein Eindruck so weit aus den letzten 1,5 Jahren.

Jochen Gust

Möchten Sie über neue Artikel und Infos rund ums Thema Demenz informiert werden?

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter um nichts mehr zu verpassen.

Kein Spam! Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung.

2 Kommentare

  1. Ohne Zeit, kaum was möglich.Und viele können gar nicht mehr mit dem Sozialdienst agieren.Haben das verlernt oder möchten davon nichts wissen.
    Dabei trägt die ex.Pflegekraft doch nach PeBem jetzt die Verantwortung was der Pflegeempfänger:in vom Sozialdienst erhält.
    Ich versuche immer den Kontakt zu allen zu suchen, aber ich arbeite auch in der Psyhiatrie, da ist man bisschen anders aufgestellt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert