Demenz-Früherkennung mit KI

Mittels künstlicher Intelligenz ist es heute möglich, Veränderungen im Gehirn zu entdecken schon bevor erste Symptome auftreten. Im Einsatz ist u.a. bereits Software die mittels MRT-Daten Ärzte bei der Frühdiagnose unterstützt.

Eine frühe Diagnose bedeutet unter anderem frühzeitig Therapien beginnen zu können, die Symptome mildern bzw. den Fortschritt verlangsamen. Und Betroffene sowie deren Familien gewinnen Zeit. Zeit für ein selbstbestimmtes, selbständiges Leben und Zeit für Festlegungen und Pläne für die Phase, in der schließlich mehr Unterstützung benötigt wird.

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Die pathologischen Prozesse im Gehirn z.B. bei der Alzheimerkrankheit sind schleichend und finden bereits statt, lange bevor Außenstehenden z.B. Gedächtnisstörungen auffallen.

AIRAscore nutzt KI um die Früherkennung und Abklärung von neurodegenerativen Erkrankungen zu unterstützen bzw. zu ermöglichen. Die Software der Tübinger Firma AIRAmed GmbH nutzt dafür tausende Datensätze und vermisst das Hirnvolumen und dessen Veränderungen auf Basis von MRT-Bilddaten des Kopfes.

Jochen Gust: Frau Lindig, mit der AIRAscore Software soll eine bessere Früherkennung auch von Demenzerkrankungen möglich sein. Bei welchen Demenzen funktioniert das?

Christiane Lindig: AIRAscore ist eine Software, die küntliche Intelligenz nutzt, um auf Basis von MRT-Bilddaten des Kopfes, das Hirnvolumen einzelner Hirnareale und Hirnstrukturen zu messen. Anhand dieser Messwerte kann der Arzt erkennen, ob überhaupt eine Erkrankung vorliegt und aus dem Verteilungsmuster eventuell pathologisch betroffener Bereiche kann er zusätzlich ableiten, um welche Art der Demenz es sich handelt. AIRAscore ist zur Befundung aller neurodegenerativen Erkrankungen geeignet, die mit einer Hirnvolumenabnahme einhergehen.

Jochen Gust: Die Früherkennung ist für die Therapie, aber auch die Lebensplanung der Betroffenen und ihrer Angehörigen wichtig. Schon vor dem ersten Auftreten von Symptomen sollen mittels Ihrer KI neurodegenerative Veränderungen festgestellt werden können. Doch ohne erste Symptome wird in der Regel kein Arzt wegen Problemen mit der kognitiven Leistungsfähigkeit konsultiert. Wann oder aus welchem Anlass sollten Mediziner Ihrer Auffassung nachher die KI-basierte Früherkennung zum Einsatz bringen?

Christiane Lindig: Die Hirnvolumetrie sollte mittelfristig als Screening- bzw. Vorsorgeuntersuchung ab einem bestimmten Alter eingesetzt werden.
Die Früherkennung pathologischer Veränderungen des Hirnvolumens ist wichtig, um positiv auf den Krankheitsverlauf einwirken zu können.

Spätetens mit Zulassung der neuen Medikamente gegen Alzheimer, die nur im Frühstadium angewendet werden dürfen, braucht es unkomplizierte und zuverlässige Möglichkeiten, um dieses Frühstadium zu erkennen. Und man darf nicht vergessen: Die Hirnvolumetrie kann nicht nur Auskunft darüber geben, ob bereits eine Erkrankung vorliegt. Sie kann auch die Sorge einer ernsten Erkrankung nehmen.

Dieser Aspekt wird oftmals unterschätzt, aber die Demenzen sind die zweitgefürchtetste Erkrankung nach Krebs. Eine unauffällige Auswertung kann außerdem eine wichtige und solide Datengrundlage sein, um eventuell später auftretende Veränderungen besser beurteilen und zeitlich einordnen zu können.

Jochen Gust: Entstehen Betroffenen zusätzliche Kosten durch die zusätzliche Auswertung der MRT-Bilder?

Christiane Lindig: Die Auswertung durch AIRAscore wird in Deutschland aktuell als Igel- oder privatärztliche Leistung erbracht und muss selbst bezahlt werden. Die meisten privaten Krankenkassen übernehmen die Kosten jedoch bereits.
Die Kosten für eine Auswertung durch AIRAscore belaufen sich auf unter 150€.

Jochen Gust: Eine Demenz hat vielfältige und weitreichende Auswirkungen, nicht nur für die Betroffenen selbst. Früherkennung ist daher zentral. Warum ist die Auswertung bildgebender Verfahren mittels KI noch nicht überall Standard?

Christiane Lindig: Bis heute gibt es in der Radiologie, anders als in anderen Fachdisziplinen, nur sehr wenige Messmethoden. Die Befundung erfolgt vorwiegend rein visuell.
Die technischen Möglichkeiten zur schnellen Verarbeitung von 3D-Bilddaten gibt es erst seit kurzer Zeit. Wie immer bei morderner Technik dauert es seine Zeit bis sich diese als Standard etabliert. Und die Tatsache, dass Softwarelösungen zur Unterstützung bei der radiologischen Befundung noch nicht von den Kassen erstattet werden, macht es nicht einfacher und stellt in der Tat eine Hemmschwelle für Nutzung im klinischen Alltag dar.

Jochen Gust: Wenn KI uns die Möglichkeit bietet, am Gehirn frühzeitig Veränderungen festzustellen und Befunde einzuordnen – bietet es sich nicht an, das Verfahren auch auf andere Organe anzuwenden? Abseits von der Früherkennung von Demenzen – welche Möglichkeiten sehen Sie da in Zukunft zur Früherkennung anderer Erkrankungen an Organen?

Christiane Lindig: Es gibt bereits viele verschiedene KI-Lösungen, die Radiologen in Zukunft dabei unterstützen werden, bessere, frühere oder schnellere Befunde zu machen. AIRAscore ist ein Beispiel für eine Software, die eine Aufgabe löst, die ohne KI und durch eine reine Sichtbefundung erst sehr viel später möglich wäre.

Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis sich der Einsatz von KI-Lösungen im radiologischen Alltag wirklich als Standard etabliert hat, aber diese Entwicklung ist unaufhaltsam und nur eine Frage der Zeit. Dabei wird die KI den Radiologen in den meisten Anwendungsfällen noch lange nicht ersetzen, aber sie wird ihm wertvolle Unterstützung für eine noch bessere Patientenversorgung liefern.

Jochen Gust: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten.

Fotos: Anna Shavets on pexels

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