Heimbewohner im Netz

Das Internet ist aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Normalerweise betrachten wir es als völlig selbstverständlich, dass es „da“ ist und funktioniert. Wer kennt sie nicht, die spöttischen Kommentare zu den Funklöchern bei der Deutschen Bahn? Stellen Sie sich vor, in einigen Jahren könnten Sie selbst dauerhaft „im Funkloch“ leben. Obwohl ein Internetzugang für Sie bisher völlig selbstverständlich war.

Unsinn? Nun, solange Sie nicht im Pflegeheim leben vielleicht schon. Denn dort ist ein Internetzugang keineswegs selbstverständlich. Jedenfalls nicht, wenn Sie dort zu den Bewohnern zählen. Das ist ein unhaltbarer Zustand, denn der fehlende Zugang zum Internet bedeutet auch eine erhebliche Einschränkung der Teilhabemöglichkeiten, schränkt z.B. auch den sichtbaren Kontakt zu Familienmitgliedern ein. Kolleg*innen aus Pflege- und Betreuung können ein Lied davon singen, gerade im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre.

Recht auf Netz – Unterschiede in den Bundesländern

Wie sich die einzelnen Bundesländer zum Thema Internetzugang für Heimbewohner stellen wird das Thema eines Artikels in einer der kommenden Ausgaben von Demenz Pflege und Betreuung sein. Im Zuge der Recherche dazu sind viele Antworten und Nachrichten zum Ist-Stand angefallen. Seit 2019 lebe ich selbst in NRW. Das mag ein Umstand sein warum ich hier speziell für „mein“ Bundesland einmal versuche darzustellen, was mir (auch) vorliegt:

Hintergrund: Der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen hat 2019 beschlossen, dass die Einrichtungen ihren Bewohnern die technischen Voraussetzungen schaffen müssen das Internet zu nutzen – sprich, es muss ein Zugang möglich sein (§ 5 Abs. 3 WTG). Der Internetanschluss wurde damit zum Merkmal der Wohnqualität, ebenso wie es beispielsweise ein Telefonanschluss ist. Damit das nicht missverständlich ist: es muss eine Zugangsmöglichkeit geben. Das heißt nicht, dass Tablets und Laptops zur Verfügung gestellt werden müssen, sondern sozusagen der „Leitungszugang“. Dies nicht nur für den Individualbereich, sondern auch in Gemeinschaftsbereichen.

Anspruch haben – und in Anspruch nehmen können

Damit ist NRW (einigen) anderen Bundesländern im Sinne der Pflegeheimbewohner einen Schritt voraus. Zunächst hatte ich erwartet, dass das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen eine Übersicht darüber hat, ob die Einrichtungen dieser „neuen“ Pflicht auch nachkommen. Hat es aber nicht. Da die Überprüfung, ob die baulich-technischen Voraussetzungen in den Einrichtungen für einen Zugang zum Internet der Heimbewohner vorhanden sind Sache der örtlich zuständigen WTG-Behörden (Heimaufsichten) ist, habe ich dort angefragt.

Grundsätzlich lässt sich das Resümee ziehen, dass die Gesetzesänderung ein Erfolg ist und greift. Zumindest in so weit, wie Auskünfte dazu zu bekommen waren. Allerdings ist die Bandbreite der Antworten aus den Landkreisen und Städten groß. Von dezidierten Kenntnissen der Verhältnisse in den Einrichtungen bis zur Ahnungslosigkeit ist alles vertreten. Zwar verwiesen einzelne Behörden bzw. Kreise zurecht auf die Belastungen durch die Corona-Pandemie und darauf, dass dementsprechend die Einrichtungen nicht überall vollständig geprüft werden konnten. Dennoch ist es bemerkenswert, dass einige Kreise bzw. WTG-Behörden präzise Angaben machen konnten während andere damit auffielen, überhaupt keine Aussage zum Stand der Umsetzung machen zu können. Einige wenige haben überhaupt nicht auf die Anfrage(n) reagiert. So kam es vor, dass Antworten eintrafen die freundlicherweise das Prüfprozedere beschrieben, jedoch keine oder nur vage Antworten auf die Frage gaben, wie viele Einrichtungen denn nun einen Internetzugang zur Verfügung stellen. Weiter hatte ich gefragt, ob hierfür den Heimbewohnern zusätzliche Kosten berechnet würden. Dies ist eine Frage die nur wenige beantworten konnten, aber auch nicht Gegenstand der Regelprüfung der WTG-Behörden (Heimaufsichten) ist.

Regierungsbezirke in NRW und Internetzugänge für Pflegeheimbewohner

Teilweise blieb Interpretationsspielraum offen, so dass eine Zuordnung nicht ganz einfach war. Etwa bei Antworten, dass der WTG-Behörde nicht bekannt sei, dass es in ihrem Gebiet Einrichtungen gäbe die die Voraussetzungen nicht erfüllen würden. Solche Antworten können etwas ganz anderes bedeuten als „wir haben geprüft / festgestellt / wissen“. Auch der Verweis auf in Teilen noch laufende oder geplante Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen zeigte vereinzelt, dass die WTG-Behörden die Dinge detailliert im Blick haben.

Nicht in jeder Antwort, aber durchaus erwähnenswert vertreten, konnten einzelne Behörden bzw. Kreise auch eine Unterscheidung vornehmen ob und in wie weit WLan zur Verfügung steht bzw. in Teilen sogar, ob dies sowohl für Individual- als auch Gemeinschaftsbereiche gilt.

Starkes Auskunftsgefälle

Das „Gefälle“ der Antworten aus den verschiedenen Regierungsbezirken, aber auch innerhalb dieser, war auffallend. Während einerseits einige Regionen genaue Kenntnisse haben und sogar Hinweise auf die geplante Umsetzung geben können (hervorzuheben etwa die Städteregion Aachen, auch Köln und Leverkusen sowie z.B. Oberhausen od. Mülheim zeigten sich gut informiert) und wo sie noch nicht vollständig erfolgt ist, reicht es andererseits in einigen anderen Kreisen gerade mal für ein „die gewünschten Daten liegen hier nicht vor.“. Die Arbeitsweise der WTG-Behörden und das Interesse der Kreise an der Umsetzung der baulich-technischen Voraussetzungen in den Pflegeheimen damit Heimbewohner auf das Internet zugreifen können, scheint sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Vor dem Hintergrund, dass die Qualität der erteilten Auskünfte bzw. der vorgehaltenen Daten sehr unterschiedlich sind, muss möglicherweise auch seitens der Verwaltungen konkretisiert werden welche Daten erfasst und aufbereitet werden müssen um dem Prüfauftrag gerecht zu werden. Auch die personelle Ausstattung der einzelnen WTG-Behörden kann eine Rolle gespielt haben, schien jedoch vor dem Hintergrund einiger Antworten und dem eigentlichen Zweck, der ja kein Blogbeitrag ist, nicht mit vertretbarem Aufwand zu klären.

WTG wirkt

So unterschiedlich die Auskünfte hinsichtlich ihrer Aussagekraft auch waren – insgesamt besteht in den allermeisten Kreisen ganz offensichtlich ein großes Interesse daran, dass die baulich-technischen Voraussetzungen für einen Zugang zum Internet für Heimbewohner auch geschaffen werden. Mehr noch: zumindest überwiegend scheint dies, bei allen Unschärfen, bereits der Fall zu sein.

Jochen Gust

Update 16.02.2022: Karte Regierungsbezirk Münster: Aktualisierung Coesfeld. Update 18.02.2022: Karte Regierungsbezirk Köln aktualisiert: Städteregion Aachen. Update 23.02.2022; Minden-Lübbecke aktualisiert.

Titelfoto original von Markus Spiske von Pexels

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