„Schön wäre das schon.“

Vor mehr als zehn Jahren besuchte ich einen Kongress in Bremen. Dort hörte ich u.a. einen Vortrag eines Referenten zum Thema Demenz im Krankenhaus. In seiner Präsentation empfahl er, dass sämtliche Aufnahmen von Personen über 65 in einem Krankenhaus durch einen Neuropsychologen hinsichtlich einer Demenz oder eines drohenden Delirs abgesichert und ggfs. begleitet werden sollten. Im Diskussionsteil der Veranstaltung fragte ich den Experten nach der praktischen Durchführbarkeit. Qualifikation, Personal, Refinanzierung und Anzahl der Aufnahmen, wie das – ganz praktisch – in die Fläche zu bekommen sei. Er räumte irgendwann ein, dass die Umsetzung dieses Vorschlages nicht zu bewerkstelligen ist unter den gegebenen Bedingungen. Er beendete seine Ausführungen dazu mir gegenüber schließlich mit dem Satz: „Sie haben ja recht – aber schön wäre das schon.“.  

Empfehlung heißt vielleicht – und vielleicht ist zu wenig

Kürzlich wurde die Nationale Demenzstrategie für Deutschland veröffentlicht, die am 01.07. d.J. verabschiedet wurde. Und es ist bemerkenswert still um sie, was eine breite öffentliche Diskussion angeht. Woran liegt das? An der schieren Masse der Mitwirkenden, so dass die eigentlichen Adressaten ohnehin bereits an der Entstehung beteiligt waren? Brei scheint neuerdings besser zu werden, je mehr Köche…. . Oder liegt es daran, dass die Corona-Pandemie andere Themen derart überdeckt? Weil die ganz alltäglichen, praktischen Probleme andere sind und jeden Tag bewältigt werden müssen – und hierfür schon jetzt tausende Pflegefachleute fehlen? In den Gesprächen die ich selbst dazu hatte kam überwiegend die Enttäuschung darüber zum Ausdruck, wie inkonkret das Papier vielfach geblieben ist. Mich erstaunt das nicht. Der Weg zum unterversorgten deliranten Vollpflegefall ist gepflastert mit Absichtserklärungen, schönen Leitbildern, freiwilligen Selbstverpflichtungen und guten Vorsätzen.

Da es nicht klug ist umfangreich etwas zu schreiben was anderswo bereits deutlich geworden ist, verzichte ich einstweilen auf weitere Ausführungen dazu. Vielmehr verweise ich auf den Podcast des DZLA: Die Nationale Demenzstrategie: Großer Wurf oder zahnloser Tiger? Ab Minute elf etwa ist der Pflegewissenschaftler und Herausgeber Detlef Rüsing im Gespräch mit der Vorsitzenden der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Sabine Jansen.

Nehmen Sie sich die Zeit. Hören Sie genau hin.

Es lohnt sich.

Ihr

Jochen Gust

PS: Wenn es sie Interessiert, was aus den Demenzplänen einzelner Bundesländer geworden ist: eine Zwischenbilanz gibts aus dem Saarland. Zur bayrischen Demenzstrategie habe ich im Februar einige Antworten erhalten. Einen Bericht zur Umsetzung des Demenzplans Schleswig-Holstein war für Juni angedacht, steht aber meines Wissens noch aus bzw. meine Fragen dazu sind noch offen.

Möchten Sie über neue Artikel und Infos rund ums Thema Demenz informiert werden?

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter um nichts mehr zu verpassen.

Kein Spam! Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung.

  • Jochen Gust

    Pflegefachperson, Projektmitarbeiter, Demenzbeauftrager im Krankenhaus, Autor, Moderator, Dozent

    Related Posts

    Bundesverdienstkreuz für Prof. Dr. Elmar Gräßel: Pionier der Versorgung älterer Menschen geehrt

    Prof. Dr. med. Elmar Gräßel ist für sein außerordentliches Engagement in der geriatrischen Forschung und Versorgung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden. Die Ehrung überreichte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach…

    Continue reading
    20 Jahre Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein – Jubiläum in Preetz gefeiert

    Die Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e.V. feierte am 23. Mai im Haus am Klostergarten in Preetz ihr 20-jähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung durch regionale Initiativen hat sich der Landesverband zu einer…

    Continue reading

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    You Missed

    Künstliche Intelligenz erkennt Demenzrisiko schon in der Notaufnahme

    Künstliche Intelligenz erkennt Demenzrisiko schon in der Notaufnahme

    Klinik ohne Reiz: vom Umgang mit selbststimulierendem Verhalten

    Klinik ohne Reiz: vom Umgang mit selbststimulierendem Verhalten

    Bundesverdienstkreuz für Prof. Dr. Elmar Gräßel: Pionier der Versorgung älterer Menschen geehrt

    Bundesverdienstkreuz für Prof. Dr. Elmar Gräßel: Pionier der Versorgung älterer Menschen geehrt

    Depression bei pflegenden Angehörigen: soziale Bedingungen beeinflussen Risiko

    Depression bei pflegenden Angehörigen: soziale Bedingungen beeinflussen Risiko

    Demenz in Nordrhein-Westfalen: Über 380.000 Betroffene – regionale Unterschiede zeigen sich deutlich

    Demenz in Nordrhein-Westfalen: Über 380.000 Betroffene – regionale Unterschiede zeigen sich deutlich

    Forschungsprojekt: Unterschiede zwischen den Geschlechtern

    Forschungsprojekt: Unterschiede zwischen den Geschlechtern