
Nicht abschrecken lassen vom endlos langen Titel bzw. Untertitel: das (Amazon-Link:) Buch „Expertenwissen: Demenz: Neueste Medikamente und Technologien: Die beste Therapie finden. Selbst aktiv werden mit Bewegung, Ernährung und Gedächtnistraining“ von Prof. Dr. med. Lars Wojtecki und Dr. rer. nat. Celine Cont hat tatsächlich was – und wird deshalb hier auch kurz vorgestellt, obwohl mein Interesse an allgemeinen Ratgeberbüchern zum Thema Demenz mittlerweile gering ist.
Gleichwohl, deutlich vorab: Pflegeprofis in Sachen Demenz brauchen es nicht. Es ist eindeutig ein Ratgeber für Angehörige und Betroffene.
Gut und klar gegliedert
Das Buch bietet eine gut verständliche Mischung aus Fachwissen und praktischen Hinweisen. Sehr positiv ist, dass nicht nur die Alzheimerkrankheit, sondern auch andere Formen wie die Lewy-Körper- oder die frontotemporale Demenz ausführlich beschrieben werden. In Sachen Forschung und Therapie geht das Buch wirklich angenehm weit in die Tiefe für Betroffene und Angehörige, die sich tatsächlich gründlich informieren wollen. Das gefällt mir persönlich sehr gut und hebt sich in der Darstellung und Gliederung ebenso wie in der Art des Erklärens wohltuend ab. Dies ist der erste Aspekt, weswegen ich es empfehlen kann.
Neue Therapie – über Apps und Hirnstimulation
Der zweite richtig gute Aspekt des Buchs ist: es ist aktuell. Da fehlt Angehörigen und Betroffenen nichts in Sachen Forschung und auch modernen Therapieansätzen aus medizinischer Sicht. Selbst die neuen Antikörpertherapien sind Thema, neben manch anderem Therapieverfahren (oder sollte ich „-Versuch“ schreiben?). Und auch die offenen Fragen die damit verbunden sind – etwa zur Nachhaltigkeit mancher Behandlung – werden nicht völlig ausgespart. Sehr, sehr gut.
Im Westen nichts Neues: Rezeptideen und Bewegungstipps
Ein guter Teil des Buchs besteht dann aus dem Erwartbaren und Üblichen. Präventionstipps, Alltagsinfos, Bewegung, Rezepte weil besonders gesund, Beschäftigung etc.. Ich weiß immer nicht recht einzuschätzen, ob und wie weit derartige Tipps wirklich ihren Weg in den Alltag von Betroffenen und Angehörigen finden. Komplettiert wird das Ganze durch Hinweise auf Unterstützungsleistungen, Pflegegradbegutachtung usw.. Auch hier – nichts, was man nicht woanders so ähnlich auch zu lesen bekommt. Gehört dazu, gehört in einen Angehörigenratgeber rein, sonst wäre er wohl nicht komplett – auch, wenn es in Zeiten des Internets hierfür sicherlich keine besondere Expertise, kein Expertenwissen mehr braucht. Jedenfalls nicht, für das Zusammenstellen der Infos & Tipps. Und damit kommen wir auch zum Aspekt, der eine eindeutige Schwäche des sonst sehr guten Ratgebers darstellt aus meiner Sicht:
Ein weiterer Blick auf den Alltag wäre gut gewesen
Was dem Buch in meinen Augen fehlt: die praktische Stimme der alltäglichen Pflege. Menschen, die in verschiedenen Ausprägungen und Rollen – als Angehörige oder auch als Pflegeberufler – den Alltag mit Menschen mit Demenz meistern. Den pflegerischen, den unterstützenden, den versorgenden Alltag. Mit den vielen Schwierigkeiten, Rückschlägen, Überraschungen, die er mit sich bringt. Ich denke, eine solche Expertise hätte dem Buch gutgetan, nicht nur was das „Wording“ angeht, sondern auch um „näher am Alltag“ zu sein. Mir blieb das Gefühl, beide Autoren haben eher wenig oder keinen Kontakt zur echten, häufig schwierigen Versorgung bzw. müssen die darin enthaltenen Probleme nicht lösen. Wenn es z.B. heißt, dass fast jedes Pflegeheim über eine Demenzstation verfügt dann ist das zwar irgendwie wahr, lässt jedoch völlig außen vor, dass die Versorgung von Menschen mit Demenz deswegen noch lange nicht gut oder auch nur angemessen ist vielerorts. Irgendwie wahr ist die oben genannte Aussage vor allem deshalb, weil die Masse der Betroffenen allerorten „Demenzstationen“ schlicht erzwingt. Auch wenn von einem sich in Deutschland zunehmend etablierenden „Montessori“-Konzept die Rede ist: dafür hätte ich gerne irgendeinen Beleg gesehen bzw. einen ernsthaften Hinweis. Die gesamte Umschreibung des Konzepts erweckt ein bisschen den Eindruck, als hätten beide Autoren sich nicht wirklich mit vorhandenen pflegefachlichen Versorgungskonzepten befasst, die es bereits gibt. Sowas wird aber vermutlich nur (Pflege)Fachperson auffallen, die eben schon lange und in der Tiefe mit der Versorgung von Menschen mit Demenz befasst sind. Zudem nehmen solche „Patzer“ keinen großen Raum ein im Buch.
Fazit: eine Empfehlung für alle die mehr Wissen wollen

Ich kann Kolleginnen und Kollegen guten Gewissens raten, (Früh-)Betroffenen und Angehörigen diesen Ratgeber ans Herz zu legen. Forschung & Therapie wird erklärt und ist auf dem Stand der Dinge (für ein Buch). Für Betroffene und Angehörige enthält es wertvolle Informationen. Es startet was Forschung / Behandlung und Therapie angeht sehr stark (und gründlich) – richtig gut. Dann fällt es hinsichtlich des Versorgungsalltags etwas ab in das, was man anderswo auch lesen kann und es fehlt letztlich etwas an pflegerischer Perspektive. Betroffene und Angehörige denen eher „oberflächliche“ Informationen zum Thema Demenz ausreichen, sind gegebenfalls mit der Fülle an Informationen fast schon überfordert bzw. nicht daran interessiert.
Für alle Betroffenen und Angehörigen die es genauer wissen wollen in Sachen Demenz: das ist Ihr aktueller, bald erhältlicher Ratgeber. (Amazon-Link).
Jochen Gust
Expertenwissen: Demenz: Neueste Medikamente und Technologien: Die beste Therapie finden. Selbst aktiv werden mit Bewegung, Ernährung und Gedächtnistraining von Prof. Dr. med. Lars Wojtecki und Dr. rer. nat. Celine Cont; (TRIAS Expertenwissen) Taschenbuch; Herausgeber: TRIAS; 160 Seiten; ISBN-10: 3432119097; 24,00 Euro.
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