Innovation aus Soest: Notrufarmband der neuen Generation

Eigentlich sind Notrufarmbänder keine spannende Sache, oder? Man drückt auf einen Knopf wenn man Hilfe braucht, irgendwo wird Alarm ausgelöst – fertig. Ein Besuch in Soest bei der Firma Microsynetics belehrt jedoch eines Besseren. Da geht viel mehr.

Basisstation und Funkfinger? Komponenten von gestern!

In der Brüderstraße in Soest (NRW) sitzt die Firma von Marlon Besuch und Michael Hummels, die mittlerweile über 25 Mitarbeitende verfügt. Microsynetics hat das Notrufarmband Caera entwickelt. Und das kann viel mehr, als normalerweise unter dem Begriff „Notrufarmband“ verstanden wird.  

Als Altenpfleger hätte ich im Laufe meines Arbeitslebens einige Dinge gerne weniger gemacht: zum Beispiel Senioren in den unmöglichsten, hilflosen Lagen vorgefunden, den Rettungsdienst informiert und anschließend Sturzprotokolle ausgefüllt. In meiner Zeit in der Geriatrie war der Zustand nach Sturz häufig der Beginn einer langen Phase, Betroffenen das einigermaßen sichere Gehen wieder beizubringen. Und längst nicht alle Patienten erholten sich von den Folgen. Wußten Sie, dass etwa 30 von 100 Menschen über 65 mindestens einmal pro Jahr Zuhause stürzen? Oder, dass es in Pflegeeinrichtungen noch viel häufiger zum Sturz kommt? Angesichts des demographischen Wandels ist der Bedarf an assistiver Technik riesig.

Mehr als ein Notrufarmband

„Caera“ sieht aus wie ein Fitnesstracker oder eine Smartwatch – das fällt mir als erstes auf. Der Schließmechanismus ist mit einer Hand zu bedienen und zugleich gegen ein unbeabsichtigtes Öffnen gesichert. Geladen wird es an einer Ladeschale, so dass für Menschen die motorisch eingeschränkt sind oder auch Probleme mit dem Sehen haben, ein umständliches fummeln mit dem Ladekabel wegfällt.

Die Akkuleistung indes fällt erstaunlich aus: 21 Tage (ja, Tage!) gibt Microsynetics an. Das Armband erfasst selbständig, wenn die Person stürzt und wählt ebenso selbständig die zuvor in einer App hinterlegten Notfallkontakte an oder den Notruf. Das bedeutet konkret, dass der gestürzte alte Mensch keinen Knopf drücken muss um den Anruf auszulösen und mit ihm zu sprechen. Natürlich kann der Notruf auch manuell ausgelöst oder abgebrochen werden. Auch ist mit Caera Geo- und Indoorfencing möglich und sogar das Auffinden der Person (Ortung) – schließlich kann auch während des Waldspaziergangs oder im Schrebergarten gestürzt werden. Diese Komponente könnte gerade für Menschen mit Demenz lebensrettend sein – im Notfall wird die Rettung auf Wunsch zum Sturzort navigiert.

Eine SIM-Karte ist für das Gerät nicht notwendig, sie ist fest verbaut. Das Armband wählt automatisch das beste Netz für die Verbindung was sicherstellen soll, dass nicht nur in mit Mobilfunk gut ausgerüsteten Innenstädten eine zuverlässige Funktion gegeben ist, sondern auch auf dem Land. Ein wichtiger Baustein von Caera ist die Möglichkeit zur Bewegungsanalyse. Damit wird der Notrufarmband nicht nur zum Ersatz veralteter Hausnotruftechnik. Die Bewegungsdaten könnten z.B. im Rahmen von Forschung dazu beitragen, zielgenauere Sturzprophylaxemaßnahmen zu entwickeln. Marlon Besuch und Michael Hummels wollen, so mein Eindruck, nicht „nur“ reaktive Technik entwickeln. Sie wollen einen Beitrag dazu leisten, dass weniger gestürzt wird und falls doch, entsprechend schnell für Hilfe gesorgt ist. Dabei fließen die Bedürfnisse der Nutzerinnen und ihrer Angehörigen kontinuierlich in den Entwicklungsprozess mit ein.

Kosten und Entwicklung

Das Armband kostet aktuell rund 200 Euro und ist derzeit noch nicht erstattungsfähig (rezeptierbar). Die Beantragung läuft und die Genehmigung wäre ein wichtiger Schritt nach vorne für das noch junge Soester Unternehmen. Zur Nutzung bietet Microsynetics aktuell zwei Abomodelle an: beim Basismodell (17,95 € monatl.) sind sechs Notfallkontakte in der App hinterlegbar. Das Premiummodell (32,90 € monatl.) ist zusätzlich mit einer professionellen 24-Stunden-Notrufhotline (Bosch) verbunden. Fertigung und Vertrieb finden in Deutschland statt. Angestrebt ist, dass möglichst alle verbauten Komponenten aus Europa kommen, so die beiden Gründer.

Das durchdachte Design, vor allem aber die Leistungsfähigkeit überzeugen bei Caera. Die zuverlässige Kontaktmöglichkeit zum Beispiel zu den eigenen Angehörigen oder Pflegekräften im Notfall ist ideal, vor allem wenn eine Bedienung per Knopfdruck nicht mehr möglich ist. Zugleich sind weitere wichtige Funktionen verfügbar, die aus dem „Sturzarmband“ ein mobiles Notfallsystem machen. Sowohl in der eigenen Häuslichkeit als auch in Kliniken, im Betreuten Wohnen oder in Pflegeheimen ist der Einsatz möglich.

Die Standortermittlung gehört sicher ebenfalls zu den Features: Seniorinnen und Senioren können ihren persönlichen Notrufassistenten – und damit ein Stück Sicherheit – überallhin mitnehmen.

Jochen Gust

Foto: Caera Notrufarmbad; selbst

Screenshot aus d. App von Doris Krajisnik; caera | Microsynetics GmbH

Titelfoto: iStock; KatarzynaBialasiewicz

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