Demenz: die Zukunft der Früherkennung und Behandlung werden in Bayern erforscht

Eine leichte kognitive Störung im Alter („mild cognitive impairment“, MCI) beeinträchtigt den Alltag Betroffener in der Regel nicht bzw. nicht in einem Maß, welches die selbständige Lebensführung stark beeinträchtigt. Jedoch erhöht das Vorliegen eines MCI die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu entwickeln ganz erheblich. Zugleich geht man davon aus, dass das Fortschreiten der nachlassenden kognitiven Fähigkeiten verhindert oder zumindest derart verzögert werden kann, dass die Betroffenen keine Demenz mehr entwickeln oder zumindest der Schweregrad positiv beeinflusst wird. Zunächst müssen die Betroffenen hierfür aber erst einmal gefunden werden. Ist dies Geschehen, geht es um eine erfolgversprechende Behandlung, um ein gezieltes Training der kognitiven Fähigkeiten.

Online-Screening und computergestütztes Training

Prof. Dr. med. Elmar Gräßel, Leiter des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Erlangen.

Professor Dr. Elmar Gräßel vom Universitätsklinikum Erlangen erforscht derzeit mit einem Team sowie seinen Kooperationspartnern von der Technischen Hochschule Nürnberg hierfür Verfahren, die eine Früherkennung (Screening) per Videotelefonie möglich machen, sowie die Wirkung eines Trainings der kognitiven Fähigkeiten am Computer (computerised cognitive training – cct).

Das Verfahren bietet mehrere Vorteile:

  • An einem Screening teilzunehmen ist auch für mobilitätseingeschränkte ältere Menschen (leichter) möglich.
  • Es ist niedrigschwellig. Menschen, die den Gang zu einer Gedächtnissprechstunde scheuen, können sich online testen lassen.
  • Auch ländliche Bereiche können mit dieser Methode abgedeckt werden, wenn spezialisierte Fachärzte und Angebote vor Ort nicht vorhanden sind.
  • Es entzerrt einen möglichen fachärztlichen Terminstau und Wartezeiten, insbesondere wenn Menschen fürchten, betroffen zu sein, die wahrgenommenen Probleme aber nicht einem MCI zuzuordnen sind.

„Ein Großteil der Teilnehmenden können wir beruhigen – es liegen bei ihnen keine Auffälligkeiten vor, die nicht alterstypisch wären.“, so Professor Gräßel im Gespräch. Auch das ist ein wichtiger Effekt der Untersuchung: Menschen Sorgen in dieser Richtung nehmen zu können.

Keine online-Diagnose

Im Rahmen des Screenings kommen sowohl die Mini-Mental-State-Examination (MMSE) also auch das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) zum Einsatz. Letzteres ist deutlich sensitiver, wenn es um die Früherkennung geht.

Forscher Gräßel erklärt, dass es von entscheidender Bedeutung für die Teilnehmenden sei, eine klare und verständliche Aussage im Anschluss an die Testverfahren zu erhalten. „Wir diagnostizieren keine Demenz online!“, betont er. Stellt sich im Screeningverfahren der Verdacht auf eine Demenz ein, sind weitere Untersuchungen und eine leitliniengerechte Diagnostik bei medizinischen Experten unbedingt notwendig.

Betroffene mit einer leichten kognitiven Störung dagegen erhalten Übungen, die sie am Computer oder Tablet durchführen können und deren Effekt untersucht wird.

Voraussichtlich im Spätsommer oder Herbst werden die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt werden können.

Jochen Gust

Titelfoto by Agence Olloweb on Unsplash

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Jochen Gust

Pflegefachperson, Projektmitarbeiter, Demenzbeauftrager im Krankenhaus, Autor, Moderator, Dozent

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