Aufgabe eines Demenzbeauftragten im Krankenhaus ist es neben vielen anderen Dingen auch, Faktoren zu finden und nach Möglichkeit zu beseitigen, die Patienten mit Demenz provozieren.
Davon gibt es in unterschiedlichen Kliniken und deren Abteilungen manchmal nicht wenige. Einige Faktoren die sogenanntes herausforderndes Verhalten provozieren, kann man nicht verändern.
Es ist aber leider nicht selten so, dass Menschen mit Demenz unterstellt wird, keine Gründe für ihr Verhalten zu haben. Was immer sie tun oder unterlassen, ist ihrer Diagnose geschuldet so die offen oder gar nicht kommunizierte Unterstellung. Anderes wird kaum mehr in Erwägung gezogen. Damit nimmt sich ein Krankenhaus allerdings Handlungsspielräume. Denn die Kolleginnen und Kollegen die ohnehin eine hochbelastende, fordernde Arbeit machen, werden damit seitens der Führung mit den Problemen auf den Stationen völlig alleingelassen. Die Haltung wird festgeschrieben, dass ein Arzt, eine Pflegefachfrau, die Ergotherapeutin und andere eben mehr oder minder alles was sich abspielt einfach aushalten müssen. Kann man nichts machen. Liegt an den Umständen und vor allem der Demenz.
Sieht so Wertschätzung für Mitarbeitende aus?
Sich um das Thema Demenz im Krankenhaus zu kümmern, bedeutet immer auch aktive Wertschätzung der Belegschaft. Denn es ist immer auch die Suche nach Entlastungsmöglichkeiten für die Behandler auf Station. Ist es wirklich so schwer nachzuvollziehen, wenn dauerhaft überforderte Mitarbeiter eines Krankenhauses irgendwann Stunden reduzieren oder ganz aussteigen? Selbstverständlich hängt dies nicht nur am Thema Demenz, das zu behaupten wäre Unsinn. Aber es ist ein Thema, an dem jedes Krankenhaus etwas tun kann. Mit Vorteilen für die Betroffenen, die Angehörigen – und eben auch für die eigenen Mitarbeiter.
Gedanklicher Ausflug – verloren:
Haben Sie schon mal morgens auf dem Weg zur Arbeit oder einem Termin bemerkt, dass Ihr Portemonnaie fehlt? Oder Ihren Schlüsselbund verlegt? Können Sie sich erinnern, was das in Ihnen ausgelöst hat?
Schreck? Angst? Panik und dann hektisches Suchen. Schließlich vielleicht Zorn. Vielleicht ist Ihnen auch ganz heiß geworden, gar der Schweiß ausgebrochen. Sie sind die letzten Schritte zurückgelaufen um zu schauen, ob Ihre Geldbeutel oder Schlüsselbund da irgendwo auf dem Weg liegen. Die Stufen hoch zur Wohnungstür, und dann haben Sie alles auf den Kopf gestellt. Nicht so sehr des Geldes wegen. Aber Ihre Papiere! Der Führerschein! Die Krankenkassenkarte! Ihr Personalausweis!
Alles weg.
Erinnern Sie sich?
Stellen Sie sich einmal vor, ein Dritter würde Sie in dieser Situation beobachten – ohne direkt zu wissen, dass Sie etwas für Sie so Wichtiges verloren haben. Was würde er sehen?
Er würde sehen, wie unruhig Sie sind. Wie getrieben. Sogar vielleicht die vegetativen Zeichen Ihrer Nervosität, Ihre Angst und Sorge registrieren (und natürlich dokumentieren). Als Gesundheitsprofi könnte er völlig korrekt sagen: Sie zeigen eine deutliche (psychomotorische) Unruhe.
Würde es Ihnen helfen, wenn er sagen würde: „Nun setzen Sie sich doch mal hin. Gleich gibt es doch Kaffee.“?
Wenn Sie dement sind, sollten Sie der Aufforderung tunlichst folgen. Sonst könnte Ihr Beobachter auf die Idee kommen, Ihnen mit einem „Schnaps“ zur Ruhe zu verhelfen. Sind Sie Nichttrinker, gibt´s was mit expidet. Oder so.
(Melperon schmeckt übrigens ganz lecker, falls Sie es sich aussuchen dürfen).
Sie haben sicher bereits verstanden, worauf ich hinaus will. Menschen mit Demenz die zu Krankenhauspatienten werden, werden häufig nicht nur hinsichtlich der Bekleidung nackig gemacht. Elementare Dinge die uns als Erwachsene, autonome Mitglieder dieser Gesellschaft ausweisen wie Schlüssel, Geldbeutel (und heutzutage auch Smartphone) werden ihnen abgenommen. Und „zentral“ im Tresor oder sonstwo aufbewahrt. Zu ihrem Besten. Das kann schwere Folgen haben.
Suchen, räumen, wühlen, beschuldigen….
Der Krankenhauspatient mit Demenz wacht also morgens in einer ihm fremden Umgebung auf. Die letzten 410 Jahre seines Lebens an die er sich erinnern kann, hat er abends seine Schlüssel und seinen Geldbeutel auf seinen Nachttisch gelegt. Er wacht auf, blickt auf den Nachttisch. Alles weg. Er steht also auf und macht sich auf die Suche. Wühlt im Schrank, in der Schublade, in den Sachen des Typs der da noch im Zimmer ist und in dem anderen Bett schläft. Immer nervöser werden, immer aufgebrachter. Die Sachen können doch nicht weg sein! In diesem Augenblick betrifft die Pflegefachfrau Anna Meier das Zimmer. Sie kommt gar nicht zu einem „Guten Morgen.“ – entschlossenen Schrittes geht der Patient auf sie zu: „Sie haben mein Geld gestohlen!“. Kennen Sie solche Situationen?
Ersparen Sie sich, Ihren Kollegen und den Menschen mit Demenz solche Szenen. Sparen Sie sich die Zeit die Sie benötigen, die Situation zu entspannen. Ersparen Sie dem „Bestohlenen“ die Sedierung, wenn die verbale Beschwichtigung nicht funktioniert.
Das können Sie tun: Ersatz bereithalten.
Halten Sie Ersatz auf Ihrer Station bereit für den Fall des Falles.
Legen Sie eine Schublade mit Ersatzschlüsselbünden und alten Portemonnaies an. Weiter haben Sie eine kleine Auswahl von Handtaschen für die Ladys im Lager liegen. Bei Bedarf stellen Sie diese zur Verfügung. Dazu noch zwei wichtige Tipps: a) wenn der Patient mit Demenz etwas sucht, lassen Sie ihn es selbst finden. Lenken Sie ihn vorsichtig an die richtige Stelle, aber „finden“ Sie nicht für ihn. Das geht meistens nicht gut aus für Sie.
Und b) Schlüsselbünde die Sie zusammenstellen sollten nur Schlüssel beinhalten, die in keine der Türen Ihrer Station passt. Sie werden sonst dort im Lauf des Aufenthaltes irgendwann in den Schlössern abgebrochen.
Den Ersatz den Sie von Station aus bieten können, ist aber nur ein Notnagel. Ein guter Teil der betroffenen wird identifizieren, dass es nicht der eigene Geldbeutel ist (außerdem fehlen die Papiere und das Geld), manche auch die Schlüssel (seltener). Selbiges gilt für Handtaschen (diese vorher mit Krams befüllen – und sei es mit Taschentüchern und ähnlichem). Was Sie aushändigen geht ins Eigentum des Patienten über – versuchen Sie nicht, die Gegenstände zur Entlassung hin wieder zu „stehlen“. Es sei denn, Sie haben noch nicht genug Stress auf Station. Dann versuchen Sie ihr Glück.
Nochmal ganz klar: das klappt nicht immer mit einem Ersatz. Aber eben auch nicht so selten, dass es den Versuch nicht lohnen würde.
Warum das dann funktioniert? Beobachten Sie sich oder andere einmal selbst auf diesen Aspekt hin. Wie oft, meine Herren, greifen oder tippen Sie sich an die Hosentasche um festzustellen, ob der Geldbeutel noch da ist? Und der Schlüssel in der richtigen Tasche? Sie holen die Gegenstände nicht jedes Mal hervor um zu prüfen, ob es wirklich Ihre sind. Sie müssen nur da sein. Die meisten Männer sehen kurz nach dem Verlassen ihrer Wohnungen für einen Moment aus wie Bayern die einen Schuhplattler beginnen wollen und ins stottern geraten.
Meine Damen, wie oft schütteln Sie kurz die Handtasche, damit es kurz klimpert und Sie wissen auf diese Weise, dass der Schlüssel in der Handtasche ist? Wie oft heben sie sie ganz dezent kurz an um am Gewicht festzustellen, ob alles drin ist?
Also: haben Sie Ersatz für solch wichtige Dinge auf Station und ersparen Sie Menschen mit Demenz das Suchenmüssen. Und sich und Ihren Kollegen konfliktreiche, stressige Situationen.
Lesen Sie dazu auch Teil II mit einem Musterschreiben für Angehörige, dass Sie zu Beginn der Aufnahme aushändigen können.
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