
Im klinischen Setting erleben Pflegefachpersonen häufig repetitive Bewegungen oder andere Formen der Autostimulation / Selbststimulation bei Patienten mit Demenz. Diese Verhaltensweisen wirken manchmal störend oder irritierend, haben aber häufig nachvollziehbare Ursachen: sie sind Ausdruck von Über- oder Unterforderung, unzureichender Reizgebung oder körperlichem Unwohlsein. Ein professioneller Umgang erfordert, individuelle Auslöser zu identifizieren und bedarfsgerechte Maßnahmen einzuleiten.
Schema Autostimulation
Autostimulation bei Menschen mit Demenz – Ursachen erkennen, Maßnahmen planen
Mögliche Ursachen
- 🧠 Kognitive Defizite (z. B. Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit)
- 👁️ Sensorische Unterforderung (z. B. wenig Ansprache, keine Aktivitäten)
- 😟 Emotionale Faktoren (z. B. Angst, Langeweile)
- 🩹 Körperliche Beschwerden (z. B. Schmerzen, Kribbeln)
- 💊 Medikamentennebenwirkungen
Autostimulation
Hinweis auf unerfüllte Bedürfnisse oder Beschwerden
Maßnahmen
🔹 Kurzfristig (0–5 Min.)
- 📋 Beobachten & dokumentieren
- 👂 Kurze Ansprache
- 🤲 Handkontakt
🔸 Mittelfristig (5–15 Min.)
- ✨ Reize verschaffen
- 🗨️ Aktivierendes Gespräch
- 🚶♂️ Kurze Mobilisation
🔶 Aufwändiger (15+ Min.)
- 🎨 Beschäftigungsangebote
- 👥 Team-Fallbesprechung
- 💊 Medikation prüfen/abstimmen
Autostimulation immer als Aufforderung zur Ursachenklärung verstehen – frühzeitiges Handeln reduziert Leidensdruck und fördert Wohlbefinden.
Entscheidende Punkte für den Krankenhausalltag
- Individuelle Unterschiede beachten: Je nach Stadium der Demenz und Persönlichkeit reagieren Patienten unterschiedlich sensibel auf Reizarmut oder Überforderung.
- Prophylaxe statt Reaktion: Ein strukturierter Tagesablauf mit wiederkehrenden Aktivitäten, ausreichend Sinnesreizen und regelmäßiger Ansprache reduziert das Risiko von Autostimulation erheblich.
- Teamarbeit nutzen: Eine gute Abstimmung mit Kolleginnen und anderen Berufsgruppen erleichtert eine ganzheitliche Versorgung und kontinuierliche Betreuung.
- Halten Sie Rücksprache mit Angehörigen: Sie können wertvolle Hinweise geben, welche Aktivitäten oder Themen dem Patienten Sicherheit und Wohlbefinden vermitteln. Idealerweise werden diese bereits bei Aufnahme erfasst (Gewohnheiten, Routinen, Vorlieben).
Risiko: von der Nebensächlichkeit zu unnötigen Maßnahmen
Autostimulierendes Verhalten ist im Krankenhaus häufig zunächst eine Nebensächlichkeit, statt dass es als ein ernstzunehmendes Signal für unerfüllte Bedürfnisse oder Beschwerden gewertet wird. Das ändert sich jedoch schnell, wenn Mitarbeiter oder Mitpatienten von diesen Verhaltensweisen genervt sind, sich beeinträchtigt fühlen. „Etwas bei Bedarf“ zur „Beruhigung“ ist allzuschnell die Folge, um „Ruhe“ herzustellen. Als Pflegefachperson und insbesondere als Demenzbeauftragte/r im Krankenhaus sollten Sie gezielt dafür sorgen, dass Bedürfnisse oder Nöte Betroffener gesehen und eingeordnet werden. Das kann nicht nur dazu beitragen, Verständnis zu fördern und damit die Geduldsschwelle zu heben. Auch unterstützen Sie damit, dass mehr Personen rund um den Patienten mit Demenz dazu beitragen, nicht vorschnell als einzige Reaktion auf Verhalten die medikamentöse Option zu ziehen. Mit gezielter Beobachtung, individuell abgestuften Maßnahmen und interdisziplinärer Zusammenarbeit lassen sich Ursachen identifizieren und Patienten mit Demenz effektiv unterstützen.
Jochen Gust