Brief an die Ampel: Digitalisierung & Pflege

Liebe Ampelnde, sehr geehrte künftige Bundesregierung,

Digitalisierung ist großartig. Ich profitiere auf vielfältige Weise davon. Wie wir alle. Und Digitalisierung – so weit gefasst der Begriff auch ist – wird sehr stark auch die Gesundheitsversorgung in diesem Land verändern. Tut sie bereits laufend. Schon seit langer Zeit. Und damit auch mehr und mehr die pflegerische Versorgung.
Dennoch: Digitalisierung als Mittel gegen den #Pflegenotstand ist wie ein Blaulicht mehr auf dem Polizeiauto, wenn es an Polizisten mangelt. Wenn wir zu wenig Feuerwehrleute haben um Brände zu löschen, nützen die besseren, schnelleren Schlauchverbindungen wenig. Und gar nichts, wenn keine Hydranten in der Nähe sind.

Digitalisierung wird auch Pflegefachpersonen nützen, keine Frage. Effizienter, schneller, genauer, fehlerreduzierend etc. pp. . Alles denkbar, alles machbar.
Sie wird aber den Mangel an Pflegefachpersonen nicht beenden.
Denn der Mangel ist absolut, nicht relativ zur Menge nichtdigitalisierter Prozesse in der Pflege.

Vor Euch (und uns als Land und Gesellschaft) liegt eine riesige Aufgabe. Und ich mache mir manchmal Sorgen, dass Digitalisierung zum Zauberwort verkommt welches unsere Probleme in der Pflege lösen soll. So häufig wie der Begriff im Zusammenhang mit dem Pflegenotstand genannt wird, macht mich das misstrauisch.
Denn Digitalisierung wird den Pflegenotstand nicht lösen. Jedenfalls nicht in der Geschwindigkeit die erforderlich wäre, um vielfaches Leid, Schmerz, Trauer, Wut, Verzweiflung, Krankheit und Tod so zu begegnen, wie es hunderttausende meiner Kolleginnen und Kollegen jeden Tag tun. Wir alle sind früher oder später Empfänger von Pflege. Und noch sehr lange nicht digital genug, als dass es uns allein dadurch besser ginge.
Pflege ist durch Digitalisierung entlastbar. Dessen bin ich mir sicher.
Ersetzbar wird sie dadurch nicht.


Liebe künftige Bundesregierung,
machen Sie bitte niemandem vor, der #Pflegenotstand wäre durch Digitalisierung lösbar.
Vor allem nicht sich selbst oder Ihrem Gegenüber, wenn Sie dieser Tage so wichtige Gespräche führen.

Danke.

Jochen Gust

Möchten Sie über neue Artikel und Infos rund ums Thema Demenz informiert werden?

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter um nichts mehr zu verpassen.

Kein Spam! Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung.

Jochen Gust

Pflegefachperson, Projektmitarbeiter, Demenzbeauftrager im Krankenhaus, Autor, Moderator, Dozent

Related Posts

20 Jahre Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein – Jubiläum in Preetz gefeiert

Die Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e.V. feierte am 23. Mai im Haus am Klostergarten in Preetz ihr 20-jähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung durch regionale Initiativen hat sich der Landesverband zu einer…

Continue reading
Erster Bluttest bei Alzheimer-Verdacht zugelassen

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung des ersten Bluttests zur Unterstützung der Diagnose Alzheimer bekanntgegeben. Der Test misst die Konzentrationen der Proteine pTau217 und β-Amyloid 1-42 im Blutplasma und…

Continue reading

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You Missed

Vom „Recht auf Verwahrlosung“ zur Vernachlässigung

Vom „Recht auf Verwahrlosung“ zur Vernachlässigung

Bayerischer Demenzfonds fördert Projekte mit rund 170.000 €

Bayerischer Demenzfonds fördert Projekte mit rund 170.000 €

20 Jahre Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein – Jubiläum in Preetz gefeiert

20 Jahre Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein – Jubiläum in Preetz gefeiert

Erster Bluttest bei Alzheimer-Verdacht zugelassen

Erster Bluttest bei Alzheimer-Verdacht zugelassen

BGH stärkt Rechte von Angehörigen bei der Betreuerauswahl

BGH stärkt Rechte von Angehörigen bei der Betreuerauswahl

Buchempfehlung: Lernen mit der Alzheimerkrankheit zu leben

Buchempfehlung: Lernen mit der Alzheimerkrankheit zu leben