Dates und Demenzpflege – die Haltung macht den Unterschied

Als Demenzbeauftragte im Krankenhaus sind ihre Aufgaben vielfältig. Sie sorgen für eine angemessene sachliche Ausstattung, Räumlichkeiten, kämpfen für mehr Stellen, überarbeiten die Dokumentation, schieben Projekte an und informieren und schulen rund ums Thema Demenz in ihrem Haus.

„Für eine gute, eine angemessene Versorgung von Menschen mit Demenz brauchen wir die eine wertschätzende Grundhaltung.“. Mit einem solchen oder ähnlichen Satz ernten Referenten häufig zustimmendes Nicken im Plenum. Es gibt so Referenten-Sätze, mit denen macht man nie was falsch. Aber ob immer so klar ist was das ist, dieses „Haltung haben“? Und was sie so besonders macht, wenn man auf einen Menschen mit Demenz trifft? Tricky an der Geschichte ist ja durchaus, dass sie sich immer auf unser dementes Gegenüber bezieht in Schulungen. Wertschätzend soll sie sein, wenn wir mit Menschen mit Demenz arbeiten, klar. Mitfühlend, sicher. Empathisch, aber ja doch. Artgerechte Haltung, sozusagen. Sie nicken noch immer, hm?

Gut, dann sind wir uns insofern einig, dass die „richtige“ Haltung gegenüber Menschen mit Demenz wichtig ist. Aber das gleiche zustimmende Nicken würde man vermutlich auch ernten, wenn man statt „Menschen mit Demenz“ „inkontinente Kleinstverwandte“ (Kinder), Menschen mit Behinderung, vielleicht auch „Tiere“ einsetzen würde. Mitfühlend. Empathisch. Warum eigentlich nicht „Haltung für alle!“?

Haltung ist keine Gesprächstechnik

Richtig, weil vielfach eine Art Methode darunter verstanden wird. Eine Haltung zu haben bedeutet aber nicht, eine Technik anzuwenden. Ihr Gegenüber, Ihr Gegenüber mit Demenz, merkt wenn Ihre Haltung geschauspielert ist. Zumindest häufig genug, dass der erhoffte positive Effekt ausbleibt. Eine Sonderhaltungsnotwendigkeit auf Menschen mit Demenz zu beziehen macht diese wiederum zu ganz besonders bedürftigen Personen. Und weil Menschen mit Demenz so ganz besonders bedürftig sind, müssen wir Pflegenden hart trainieren und trainiert werden, „die richtige“ Haltung ihnen gegenüber an den Tag zu legen. Sonst durchschauen sie uns am Ende vielleicht noch.

Haltungsprobleme bei Dates und Demenz

Stellen Sie sich vor, beim täglichen nach rechts oder links wischen haben Sie endlich einen Treffer gelandet. Langes hin- und herschreiben (Fehler, aber lassen wir das), und endlich das erste Date verabredet. Der Mann den Sie treffen sieht gut aus. Er hilft Ihnen aus dem Mantel, hält die Taxitür auf, übernimmt die Rechnung, ist ungemein höflich und eloquent. Und doch…. . Den ganzen Abend werden Sie das Gefühl nicht los, es stimmt was nicht. Und Ihr Gefühl trügt Sie nicht. Nachdem der Abend nicht so endet wie er das geplant hatte, verwandelt sich der Typ in ein ausgesprochen unhöfliches und unverschämt armseliges Exemplar, welches Ihnen ein paar ziemlich unrühmliche Begriffe whatsappt. Dann sperrt er Sie natürlich, bevor Sie antworten können. Seine Höflichkeitsgesten waren zweckgebunden, entsprachen eben nicht seiner eigentlichen, wirklichen Haltung. Und Sie haben es geahnt, gefühlt.

Trauen Sie ein solches „da-stimmt-was-nicht“-Gefühl auch anderen Menschen zu? Sogar Menschen, die eine Demenz haben? Wäre aber besser.

Das Haltungs-on/off funktioniert nicht

Zurück zum Fall: Haltung zeigen bzw. haben gegenüber Menschen mit Demenz halten offenbar viele Menschen für eine Art aktiven Zustand, den man professionell einschalten können soll. Bei Bedarf.  Deshalb gibt es Seminare und Referenten, die erwachsenen Menschen beibringen möchten, eine „wertschätzende Grundhaltung“ gegenüber anderen Menschen einzunehmen. Und dann werden in der Schulung selbst aber Verhaltensmechanismen trainiert und oder der Umgang mit Sprache und Sprechen, wenn man mit Menschen mit Demenz zu tun hat. Diese Dinge sind ungemein wichtig und ich beschule sie selbst – unterschätzen Sie keinesfalls die Effekt die Sie erzielen, wenn Sie gut trainiert darin sind sich verständlich zu machen oder so zu verhalten, dass Sie auch schwierige Situationen beeinflussen können. Und dennoch ist von Haltung die Rede, nicht von Demenzrhetorik. In einem Seminar können Sie auf vielerlei Weise dazu anregen, eine Haltung zu entwickeln die Menschen, auch mit Demenz, gerecht(er) wird. Sie können sie aber nicht in 8 Stunden erlernen und anschließend bei Bedarf abspulen – weil mehr dazu gehört als ein intellektueller Vorgang. Der Expertenstandard Beziehungsgestaltung verlangt „Menschen mit Demenz als gleichberechtigtes gegenüber wahrzunehmen und anzuerkennen.“. Auch hier können Sie gerne nochmals zustimmend nicken. Auch ich möchte ja, dass Sie sich durchgehend wohlfühlen während Sie hier lesen. Ehrlich.  

Haltung entwickeln ist ein Prozess

Haltung ist mehr als bestimmte Verhaltensweisen oder auch Phrasen zu trainieren. Sie hat nie nur einen Bezug auf mein Gegenüber, sondern vor allem auch einen Bezug zu mir selbst. Haltung bestimmt Verhalten – nicht umgekehrt. Eine Haltung entwickeln wir und sie ist Prozessen unterworfen. Lebenslang. Beeinflusst von Faktoren wie unseren Prägungen und Beziehungserfahrungen zum Beispiel. Sie merken es – die ganze Sache mit der Haltung ist komplex – und lässt sich in diesem Sinne nicht anordnen oder im Tagesseminar „erlernen“ bzw. umprogrammieren.
Hier den Hinweis, dass genau in diesem Zusammenhang eben die Biographiearbeit mit Menschen mit Demenz so wertvoll und interessant ist – wenn sie sich nicht auf die Sammlung und das Wiederkäuen von Daten beschränkt. Anders gesagt: wen und warum Ihr Patient Heinz Müller geheiratet hat und wie die Ehe war ist interessanter und wichtiger zu wissen, als dass die Ehe am 17.02.1951 um 10:35 Uhr amtlich in Hintertupfingen besiegelt wurde.

Einen weiteren Text zum Thema Haltung finden Sie hier.

Eigentlich wollte ich eine Anregung für Demenzbeauftragte im Krankenhaus geben, sich immer wieder die eigenen Denkmuster anzuschauen – und in der eigenen Klinik Gelegenheiten finden, Kolleginnen und Kollegen dazu anzuregen. Den Beitrag finden Sie jetzt hier.

Halten Sie durch!

Ihr

Jochen Gust

Photo by Mike Tinnion on Unsplash

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3 Kommentare

  1. Lieber Jochen..
    Mit Begeisterung verfolge ich Deine Anregungen im Umgang mit dementen Menschen!! Auch, weil es immer wieder anregt sein eigenes Verhalten gegenüber diesem Menschen anzupassen/zu spiegeln und zu verstehen, warum er/sie nicht versteht…
    Lieben Gruß, Tamara

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