Der provozierte Patient (II) – Schlüsselerlebnisse

Bevor Sie diesen Beitrag lesen, sollten Sie Teil I gelesen haben.

Okay, ich weiß – Krankenhäuser sind chronisch unterfinanziert. Jetzt also auch noch massenhaft Ersatzschlüssel samt Ringen oder Mäppchen, Ersatzhandtaschen, Ersatzgeldbeutel anschaffen. Geht’s noch? Ja, das geht. Es ist sogar sehr einfach.

Bitten Sie die Kollegen.

Als Demenzbeauftragter habe ich im Krankenhaus etwa alle sechs Monate eine Rundmail geschrieben mit der Bitte, mir Handtaschen auszuhändigen falls eine Kollegin eine hat die sie nicht mehr braucht. Ich kann es bis heute nicht richtig erklären aber: sie sind uns nie ausgegangen. Die Kolleginnen hatten immer Handtaschen, die sie nicht mehr brauchten. Rückblickend ist hier auch dem Haustechniker HaJo Meier zu danken – ich hoffe, die Handtaschen hatte seine Frau ihm wirklich als Spende mitgegeben und die beiden sind immernoch verheiratet. Sogar eine ehemalige Ausbilderin von mir brachte einmal einen ganz Karton voller Handtaschen mit. Das hat das Krankenhaus stets was gekostet? Richtig: nichts.

Nur eine Möglichkeit, die aber wiederum der Klinik etwas einbringt: weniger gestresste Mitarbeiter möglicherweise. Rechnet die im Controlling eigentlich irgendjemand gegen die Maßnahmen für Patienten mit Demenz, die (erst einmal) Geld kosten?

Aber zurück zum Fall.

Nicht ersatzlos wegnehmen: Geldbeutel, Schlüssel, Papiere - Smartphone.
Angehörige sollten vorsorgen: Imitate.

Das Ganze setzt natürlich früher an. Wesentlich besser ist, wenn Menschen mit Demenz diese elementaren Dinge für den Krankenhausaufenthalt gar nicht erst weggenommen werden. Leider gibt es auch immer wieder Angehörige die den Patienten alles abnehmen aus Sorge, dass in der Klinik ohnehin alles verloren geht oder gestohlen wird. Es kommt vor, dass Angehörige sogar Eheringe abnehmen, die 50 Jahre und mehr die Hand des liebenden Partners zierten. Es ist nachvollziehbar, dass es große Unruhe auslöst, wenn plötzlich der Ehering weg ist. Ebenso wie fehlende Schlüssel, Geldbeutel oder eben Handtaschen.

Gerade wenn es um Schmuck geht ist die Lösung jedoch einfach: Angehörige sollten frühzeitig wichtigen und wertvollen Schmuck gegen Imitate austauschen (bzw. diese für eine potentiellen Klinikaufenthalt vorhalten). Das kostet wenig Geld und kann helfen das Risiko einer klinischen Abwärtsspirale aus Unruhe und Sedierung zu senken. Und es ist tatsächlich einfach: ich war selbst irgendwann mal verheiratet. Aber ich nahm nicht jeden Tag den Ring vom Finger um zu testen, ob er wirklich aus Weißgold gefertigt war. Hat ihn meine (Ex)Frau irgendwann ausgetauscht? Ich werde es nie erfahren. Das Material war im Alltag nicht von Bedeutung. Er musste nur da sein.

Kopieren geht über studieren.

Auch von Papieren etc. kann man (Farb-)kopien anfertigen und diese in einen Geldbeutel oder eine Handtasche tun (ggfs. beachten, dass man keine Gesetze verletzt; Vorsicht kein Geld nachmachen, kopieren oder etwas in der Art – strafbar!). Einen (verschmerzbaren!) Geldbetrag sollten Angehörige auch mit dem Risiko des Verlustes im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes Ihrem Angehörigen mit Demenz belassen. Etwas Geld bei sich zu haben ist für einen Erwachsenen normal. Erlauben Sie etwas Normalität in einer nicht normalen Situation.
Für Demenzbeauftragte findet sich hier noch ein Musterschreiben an Angehörige, welches   bei der Aufnahme ausgehändigt werden könnte. Ebenso selbstverständlich wie den Behandlungsvertrag und die Schweigepflichtentbindung für den Bericht an den Hausarzt. Es handelt sich nur um ein Beispiel – aber als Grundlage für etwas, was Sie in Ihrer Klinik etablieren könnten, ein Anfang. Selbstverständlich stimmen Sie dies vorher mit Ihrer Vorgesetzten ab und klären auch mögliche Haftungsfragen. Einige wenige Beschwerden wird es aller Voraussicht nach von Angehörigen im Nachhinein geben, trotz der Erklärung was Ziel des Ganzen ist. Auch über den verschwundenen 7-Euro-Modeschmuckring.
Als Demenzbeauftragte/r klären Sie den Umgang mit entsprechenden Beschwerden natürlich vorher.

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