
Ein aktueller Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt erneut die enorme Bedeutung der informellen Pflege in Deutschland. Millionen Menschen versorgen ihre Angehörigen oder Bekannten, oft zusätzlich zu Beruf und eigenen Verpflichtungen. Zwei Drittel dieser Pflege findet außerhalb des eigenen Haushalts statt – meist durch Kinder, Schwiegerkinder oder Enkel für (Schwieger-)Eltern und Großeltern. Ein Drittel leisten Angehörige im eigenen Haushalt, hier vor allem Partnerinnen und Partner. Auffällig ist: Pflege beginnt vielfach schon vor der Zuerkennung eines offiziellen Pflegegrades.
Die Studie macht deutlich, dass die Belastungen stark variieren. Während innerhäusliche Pflege meist mit einer Rund-um-die-Uhr-Verantwortung verbunden ist, sind außerhäusliche Pflegearrangements häufig punktueller organisiert – allerdings ebenfalls mit erheblichen zeitlichen und finanziellen Kosten. Im Durchschnitt entstehen pflegenden Haushalten monatlich zusätzliche Ausgaben von rund 100 Euro, bei innerhäuslicher Pflege oft deutlich mehr. Haushalte mit pflegebedürftigen Personen verfügen zudem über ein unterdurchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen.
Frauen tragen weiterhin die Hautplast
Besonders relevant: Frauen tragen weiterhin die Hauptlast. Zwei Drittel der Hauptpflegepersonen sind weiblich, innerhäuslich im Durchschnitt 61 Jahre alt, außerhäuslich 54 Jahre. Während außerhäuslich Pflegende überwiegend erwerbstätig sind, übernehmen im eigenen Haushalt vielfach bereits Rentnerinnen und Rentner die Versorgung.
Politisch rückt derzeit die Einführung eines Familienpflegegeldes als Lohnersatzleistung in den Fokus. Doch der Bericht warnt vor einer zu engen Orientierung am Elterngeldmodell: Pflegephasen sind oft nicht planbar und können sehr lange andauern. Befristete Leistungen greifen daher zu kurz, insbesondere für Menschen, die dauerhaft und umfassend pflegen, etwa Eltern von Kindern mit Behinderungen.
Klare Grenzen zur professionellen Pflege
Das Fazit ist eindeutig: Angehörige und Bekannte sind der größte Pflegedienst des Landes – doch sie dürfen nicht als billige Ressource betrachtet werden. Um die steigende Zahl Pflegebedürftiger zu bewältigen, braucht es nicht nur punktuelle finanzielle Unterstützung, sondern vor allem strukturelle Reformen der Pflegeversicherung. Es eine klare Abgrenzung der Rolle informeller Pflege: Angehörige können und sollen weiterhin eine zentrale Stütze sein, aber nicht die strukturellen Defizite der professionellen Pflege ausgleichen. Das bedeutet, dass Politik verbindlich definieren muss, welche Aufgaben der professionelle Sektor übernehmen muss – und welche ergänzend von Angehörigen getragen werden können, ohne diese dauerhaft zu überlasten.
Quelle: Brandt, M.; Ehrlich, U.; Geyer, J.; Haan, P.; Kelle, N. (2025): Größter Pflegedienst in Deutschland: Millionen Menschen pflegen Angehörige inner- und außerhalb ihres Haushalts. DIW Wochenbericht Nr. 37/2025, S. 592–598. DOI: 10.18723/diw_wb:2025-37-1