
Ob Diagnose, Risikoeinschätzung oder Therapieunterstützung – Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend zu einem zentralen Werkzeug in der Alzheimer- und Demenzforschung. Neue Modelle analysieren riesige Datenmengen, erkennen Muster früher als Menschen es könnten und liefern damit wertvolle Erkenntnisse für Forschung und Praxis. Die folgende Übersicht zeigt einige Studien, die den Einsatz von KI in unterschiedlichen Bereichen der Demenzdiagnostik untersuchen – von Bild- und Sprachdaten über EEG-Wellen im Schlaf bis hin zu Netzhautscans beim Optiker.
Thema | KI-Modell und Anwendung | Zentrale Ergebnisse | Quelle / Link |
Differenzierte Diagnose von Demenzursachen | KI-Modell nutzt demografische Daten, Anamnese, Medikamente, Tests, funktionelle Bewertungen und multimodale Neuroimaging-Daten | Analyse von 51.269 Personen aus 9 Datensätzen, identifiziert 10 Demenzursachen. Anwendung als Screening-Tool denkbar | AI-based differential diagnosis of dementia etiologies on multimodal data (Nature Medicine, Juli 2024) |
Alzheimer-Diagnose durch Bild-Text-Kombination | „VisTA“-Modell kombiniert Bild- und Textdaten mittels kontrastivem Lernen | 88 % Genauigkeit, erklärbare Diagnosen, die mit Expert:innenmeinungen übereinstimmen | VisTA: Vision-Text Alignment Model (Februar 2025) |
Frühwarnsystem mit Schlaf-EEG-Daten | KI-Analyse von EEG-Daten während des Schlafs | 85 % der später Betroffenen identifiziert, 77 % Genauigkeit | Brain Waves Measured During Sleep Predict Cognitive Impairment |
Demenzrisiko via Netzhaut-Scan („NeurEye“) | KI-gestütztes Software-Tool analysiert Netzhautbilder aus Augenuntersuchungen | Frühindikatoren für Alzheimer anhand von Gefäß- und Nervenmustern erkannt, weltweit größte Datensammlung mit 1 Mio. Scans | AI software tool aims to use high street eye tests to spot dementia risk |
Früherkennung durch Sprachanalyse | KI analysiert Sprachmuster zur Vorhersage kognitiver Beeinträchtigung | 78 % Genauigkeit bei der Vorhersage des Übergangs von MCI zu Alzheimer innerhalb von 6 Jahren | AI speech analysis predicted progression of cognitive impairment to Alzheimer‘ |
Künstliche Intelligenz eröffnet der Demenzforschung völlig neue Möglichkeiten – von der Frühdiagnostik über die Risikobewertung bis hin zur individualisierten Therapie. Indem sie riesige Datenmengen analysiert, erkennt KI subtile Muster in Sprache, Bewegung, Bildgebung oder sogar im Schlaf, die menschlichen Expert:innen oft verborgen bleiben. Das bedeutet: eine schnellere und präzisere Diagnose, eine frühere Intervention – und damit die Chance, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder Lebensqualität länger zu erhalten.
KI kann helfen Versorgungslücken zu schließen
Besonders wichtig: KI kann auch dort helfen, wo medizinisches Fachpersonal knapp ist. In ländlichen Regionen, in Pflegeeinrichtungen oder in der Hausarztpraxis – KI-gestützte Tools könnten niederschwellig Screening und Unterstützung bieten. Damit wird die Technologie zum Mitstreiter für mehr Gerechtigkeit in der Versorgung. Vorausgesetzt: Datenschutz, Transparenz und Menschlichkeit bleiben im Zentrum.
Die Forschung ist auf einem guten Weg. Jetzt gilt es, KI sinnvoll, verantwortungsvoll und im Sinne der Betroffenen zu nutzen.
Jochen Gust
Szenario: Ein Angehöriger fragt Sie, ob er seine Gesundheitsdaten der KI-Forschung zur Verfügung stellen soll, um zur besseren Diagnose von Demenz beizutragen. Was würden Sie ihm raten?